Europäische Asylreform EU-Staaten einigen sich auf strengere Migrationspolitik

Mit Hilfe zusätzlicher Druckmittel sollen Abschiebungen nach der Vorstellung der EU-Staaten zukünftig schneller gehen. (Symbolbi
Mit Hilfe zusätzlicher Druckmittel sollen Abschiebungen nach der Vorstellung der EU-Staaten zukünftig schneller gehen. (Symbolbild) Foto
© Boris Roessler/dpa
Striktere Regeln, mögliche Rückführungszentren und eine geklärte Verteilungsfrage: Die EU-Staaten erringen entscheidende Einigungen bei umstrittenen Fragen in der Migrationspolitik.

Mehr und schneller abschieben, Schutzsuchende und Solidaritätsbeiträge verteilen: Die EU-Staaten erzielen weitreichende Einigungen in entscheidenden Fragen der Migrationspolitik. Worauf sich die Mitgliedsländer bei einem Treffen der europäischen Innenminister in Brüssel verständigt haben: 

Verteilung von Asylbewerbern und finanziellen Beiträgen 

Der größte Brocken: die Verteilung im Rahmen des sogenannten Solidaritätsmechanismus. Die EU-Länder haben sich hier darauf verständigt, innerhalb der Europäischen Union 21.000 Schutzsuchende umzusiedeln, um besonders unter Druck stehende EU-Staaten zu entlasten, wie die EU-Innenminister festlegten.

Zudem sollen weniger belastete EU-Länder im Rahmen des Solidaritätsmechanismus, der mit der europäischen Asylreform 2024 beschlossen wurde, 420 Millionen Euro bereitstellen - wobei die Beiträge jeweils miteinander verrechnet werden können. Auch andere Solidaritätsbeiträge wie Sachleistungen sind demnach möglich. Sowohl finanzielle Unterstützung als auch Sachleistungen können also theoretisch von unterstützungspflichtigen EU-Staaten geleistet werden, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. 

Deutschland kann sich vergangene Übernahmen anrechnen lassen 

Welche Beiträge Deutschland oder andere Länder gemäß der Einigung nun konkret leisten müssen, blieb zunächst unklar. Die Bundesrepublik kann sich nach einer Analyse von EU-Innenkommissar Magnus Brunner aber darauf berufen, dass sie sich bereits um sehr viele Asylbewerber kümmert, für die eigentlich andere EU-Staaten zuständig wären. Daher gilt es als unwahrscheinlich, dass Deutschland zusätzlich Schutzsuchende aufnimmt oder sonstige Beiträge für den Solidaritätspool leistet. 

Mehr Druck auf Menschen ohne Bleiberecht bei Rückführungen 

Die EU-Staaten wollen zudem den Druck auf abgelehnte Asylbewerber erhöhen und Abschiebungen effizienter abwickeln. Dafür sollen Menschen ohne Bleiberecht neue Pflichten erhalten und Leistungskürzungen bei mangelnder Kooperation mit den Behörden hinnehmen müssen, wie die Mitgliedsländer mitteilten. 

Zu den von der EU-Kommission im März gemachten Vorschlägen muss das Europäische Parlament sich noch positionieren. Anschließend können Verhandlungen über die Verordnung beginnen. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im EU-Parlament werden aber keine größeren Änderungen erwartet.

Abgelehnte Asylbewerber sollen dem Vorhaben nach etwa verpflichtet werden, aktiv an ihrer Rückführung mitzuwirken. Sollten sie etwa nicht unverzüglich nach einer Aufforderung Dokumente zu ihrer Identifikation vorlegen, müssen sie mit Strafen rechnen. Zudem sollen sie für die Behörden erreichbar bleiben. Bei einer Verweigerung der Zusammenarbeit drohen Konsequenzen - etwa die Kürzung von Leistungen oder ein längeres Einreiseverbot. Auch Haftstrafen sollen der Vorstellung der EU-Staaten nach in manchen Fällen möglich sein. 

Auch Rückführungszentren in Drittstaaten außerhalb der EU sollen demnach durch die Verordnung möglich sein. In diesen sogenannten Return Hubs sollen ausreisepflichtige Asylbewerber landen, die nicht in ihre Heimat- oder Herkunftsländer abgeschoben werden können. 

Sichere Drittstaaten 

Bei der Auslagerung von Asylverfahren spielt das Konzept der sicheren Drittstaaten eine entscheidende Rolle. Es soll das europäische Asylsystem entlasten, indem Menschen in Nicht-EU-Länder abgeschoben werden, um dort ihr Asylverfahren abzuwarten. Die Festlegung würde auch die Einrichtung von sogenannten Rückführungszentren in Drittstaaten erleichtern.

Bislang war es nötig, dass Asylsuchende eine enge Verbindung zu einem solchen Drittstaat haben, etwa durch Familienangehörige oder einen längeren Aufenthalt. Dem Vorschlag der EU-Staaten nach könnte es zukünftig schon reichen, wenn ein Abkommen zwischen einem Mitgliedstaat und dem Drittstaat besteht. Schutzsuchende können demnach auch in Länder abgeschoben werden, in denen sie noch nie waren und zu denen sie keine familiäre, kulturelle oder sonstige Bindung haben. Ausgenommen davon sind unbegleitete Minderjährige. 

Auch zu diesem Vorhaben muss das EU-Parlament sich noch abschließend positionieren, bevor Verhandlungen darüber beginnen können.

Sichere Herkunftsländer 

Abschiebungen in die nordafrikanischen Länder Marokko, Tunesien und Ägypten sollen nach dem Willen der EU-Länder schneller gehen. Dafür sollen die Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Das Kosovo, Kolumbien sowie die südasiatischen Staaten Indien und Bangladesch sollen demnach ebenfalls zur Liste hinzugefügt werden. Auch hier steht die Positionierung des EU-Parlaments noch aus. 

Grundsätzlich sollen auch Länder, die Kandidaten für einen EU-Beitritt sind, als sicher gelten. Dazu würden dann etwa Albanien, Montenegro oder die Türkei gehören. Die EU-Liste wäre bindend für alle Mitgliedstaaten. Gleichzeitig muss dem Vorschlag nach auch weiterhin immer der Einzelfall geprüft werden. Menschen, die aus diesen Ländern kommen und in der EU Schutz suchen, sollen also nicht automatisch abgeschoben werden, bekommen aber ein beschleunigtes Asylverfahren.

Zuletzt weniger Asylanträge - Deutschland nicht mehr auf Platz eins 

Die Zahl der neuen Asylbewerber innerhalb der gesamten Europäischen Union sowie in den Nicht-Mitgliedsländern Norwegen und Schweiz ging im ersten Halbjahr dieses Jahres nach Angaben der EU-Asylagentur insgesamt zurück. Bis Ende Juni wurden in der Staatengruppe aus 29 Ländern (EU+) insgesamt 399.000 neue Anträge registriert - im Vergleich zum ersten Halbjahr 2024 ein Rückgang von 114.000 beziehungsweise 23 Prozent. Im ersten Halbjahr gingen bei den deutschen Behörden 70.000 Anträge von Neuankömmlingen ein. Damit liegt die Bundesrepublik innerhalb der EU auf Platz drei hinter Frankreich (78.000) und Spanien (77.000).

dpa

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