Seit dem Golfkrieg 1991 hat sich Israel für einen möglichen irakischen Raketenangriff gerüstet. Jetzt sind die Vorbereitungen abgeschlossen: Mit dem neuen Schutzschild "Arrow" ist eines der modernsten Raketenabwehrsysteme am Start. Alle neueren Häuser sind standardmäßig mit Sicherheitsräumen ausgestattet, und im ganzen Land stehen Evakuierungszentren bereit. Doch die Frage, ob Irak wirklich angreifen kann und wird, bleibt umstritten.
Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hält die Bedrohung für relativ niedrig. "Die Gefahr besteht. Ich halte sie für gering, aber sie existiert", erklärte er kürzlich. "Wir haben die bestmöglichen Lösungen vorbereitet." Auch der Militäranalyst und Historiker Martin van Creweld sieht kein großes Risiko, dass Irak wie 1991 Scud-Raketen auf Israel abfeuern könnte. "Aber eine einzige Massenvernichtungswaffe würde schon genügen. Das wird zum Glücksspiel", sagte er.
Stichwort: Arrow
Das Arrow-Projekt wurde 1988 ins Leben gerufen, als der U.S.-General Abrahamson sich dazu entschloß, die Israel Aircraft Industries mit der Entwicklung der interballistischen Abfang-Rakete zu betrauen, die unter dem Namen "Hetz" (Pfeil) bekannt ist. Man stimmte darin überein, dass der größte Teil der Finanzierung von den Amerikanern übernommen werden würde. Bis 1995 waren 488 Millionen Dollar in das Projekt investiert worden, wovon die Vereinigten Staaten etwa 75 % bereitgestellt hatten. Hinzu kommen etwa weitere 300 Millionen Dollar - Kosten für die Entwicklung des besonderen "Green Pine"-Radars, das Arrows-Raketen gegen Boden-Boden-Raketen, leitet. „Arrow“-Raketen fliegen mit neunfacher Schallgeschwindigkeit und können feindliche Flugkörper in einer Entfernung von 50 km vor ihrem Ziel abfangen.
Albtraumszenario
Viele Israelis fürchten das Albtraumszenario, dass es dem irakischen Staatschef Saddam Hussein gelingen könnte, Raketen mit chemischen oder biologischen Sprengköpfen abzufeuern. Doch vermutlich verfügt Irak über weit weniger Waffen als noch vor zehn Jahren. Außerdem wurde erwartet, dass die US-Truppen gerade im Westen Iraks besonders gründlich nach mögliche Scuds suchen werden - nur von diesem Landesteil aus könnten die Raketen Israel erreichen.
Nicht zuletzt gilt ein Angriff auf Israel als unwahrscheinlich, da Saddam Hussein damit sein Schicksal besiegeln würde: Ein Beschuss würde beweisen, dass er tatsächlich verbotene Waffen besitzt. Doch fürchtet Israel in Folge eines Irak-Kriegs auch Angriffe von anderer Seite: etwa von der Hisbollah-Miliz in Südlibanon, palästinensischen Extremisten oder Terroristen der El Kaida.
High-Tech-Raketenschutzschild
Arrow, das weltweit erste vollständig stationierte High-Tech-Raketenschutzschild, steht im Mittelpunkt der israelischen Abwehr gegen Scuds. Israel und die USA haben seit 1991 mehr als zwei Milliarden Dollar in seine Entwicklung gesteckt. Tests verliefen erfolgreich, im Ernstfall musste es sich bislang aber noch nicht bewähren. Zwei Abwehrbatterien wurden in Nordisrael und südlich von Tel Aviv stationiert, um den dicht bevölkerten Küstenstreifen zu schützen, in dem 1991 alle 39 Scuds eingeschlagen waren. Damals entstand großer Sachschaden, und die Bevölkerung geriet in Panik, verletzt wurde jedoch kaum jemand.
Mini-Schutzzelte für Kleinkinder
Arrow soll wesentlich effektiver sein als das Patriot-System, das sich vor zwölf Jahren als weitgehend ungeeignet zur Abwehr von Scud-Raketen erwies. Zwischenzeitlich wurde es verbessert und soll jetzt als Notabsicherung eingesetzt werden. Patriot-Batterien können Raketen erst in deren letzter Flugphase abfangen. Sie wurden zusätzlich an besonders gefährdeten Einrichtungen stationiert, etwa dem Atomreaktor Dimona in Südisrael. Arrow-Batterien dagegen können Geschosse wesentlich früher abfangen - theoretisch schon über Jordanien vor dem Eintritt in den israelischen Luftraum.
Verplombte Sicherheitsräume
Auch der Schutz der Privathaushalte wurde seit 1991 drastisch ausgebaut. Die Bewohner haben ihre alten Gasmasken gegen verbesserte neue Modelle ausgetauscht. Für Kleinkinder, die noch keine Masken tragen können, wurden eigene Mini-Zelte zum Schutz vor Chemiewaffen entwickelt. Seit dem vergangenen Golfkrieg gelten verschärfte Bauvorschriften, nach denen alle neuen Häuser und Wohnungen mit verplombten Sicherheitsräumen ausgestattet sein, die zumindest für einige Stunden Schutz bieten.
Impfungen gegen Pocken
Das Gesundheitsministerium ließ rund 20.000 Ärzte und Sanitäter gegen Pocken impfen, viele Bürger nahmen die Impfungen freiwillig auf sich. Beim letzten Scud-Angriff flohen viele Küstenbewohner ins Landesinnere und verschanzten sich bei Verwandten oder in Hotels in Jerusalem. Die Stadt gilt wegen ihres hohen arabischen Bevölkerungsanteils und der heiligen islamischen Stätten als unwahrscheinliches Ziel. Auch jetzt haben schon wieder Israelis vorbeugend Hotelzimmer reserviert.
In einer Gegend, die seit mehr als zwei Jahren täglich von Gewalt erschüttert wird, haben sich die meisten Bewohner an ein Leben in Angst gewöhnt. Anstatt zu beschwichtigen, warnen einige Regierungsvertreter lieber vor dem Worst-Case-Szenario. Seit November haben ranghohe Sicherheitsbeamte immer wieder einen unmittelbar bevorstehenden Beginn eines Irak-Krieg prophezeit.
Lange Warteschlangen
Zuletzt erklärte Stabschef Generalleutnant Mosche Jaalon Mitte Februar, er rechne innerhalb der kommenden Wochen mit einem Angriff der USA auf Irak. Daraufhin bildeten sich vor den Ausgabezentren für Gasmasken lange Warteschlangen, und die Bewohner deckten sich mit Einkäufen ein. Um Wucherpreisen vorzubeugen, verhängte die Regierung Preiskontrollen auf Produkte wie Plastikfolie, Klebeband und Trinkwasser.