Trucker-Demo in Ottawa Ein "Freiheits-Konvoi" vereint Impf-Gegner aus ganz Kanada – und bekommt Applaus von Trump

Zwei Demonstranten mit Schildern unterstützen den Trucker-Protest gegen die Corona-Regeln in Ottawa
"Macht Kanada wieder frei!", steht auf einem Schild bei einer Anti-Corona-Demo in Ottawa
© Justin Tang / DPA
Was bringt Lkw-Fahrer aus ganz Kanada dazu, hunderte Meilen zurückzulegen, um an einer Demo teilzunehmen? Die Antwort hat mit einer neuen Impfvorschrift zu tun – aber auch mit einer wachsenden Pandemiemüdigkeit.

Tagelang waren sie unterwegs, hatten mehrere hundert Meilen zurückgelegt und waren am Wochenende endlich am Ziel angekommen. Hunderte Lastwagenfahrer aus ganz Kanada hatten sich auf den Weg Richtung Ottawa gemacht, um dort gegen eine neue Impfvorschrift zu protestieren. Der sogenannte "Freedom Convoy" ("Konvoi der Freiheit") wurde in der kanadischen Hauptstadt von einer jubelnden Menge empfangen. Doch die Kundgebung der Trucker schlug schnell in eine laustarke Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung um.

Bei eisigen Minustemperaturen blockierten tausende Menschen Teile der Innenstadt und versammelten sich schließlich auf dem schneebedeckten Rasen vor dem Parlament. In lauten Sprechchören forderten sie "Freiheit", schwenkten kanadische Flaggen und selbstgebastelte Schilder. Viele richteten ihre Kritik direkt an die Adresse von Premierminister Justin Trudeau. "Ich und viele andere Leute sind hier, weil wir die Impfvorschriften und die Lockdowns einfach satt haben", sagte ein Demonstrant der Nachrichtenagentur "Reuters", der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung sehen wollte.

Auf seinem Schild war zu lesen: "Justin Trudeau sorgt dafür, dass ich mich schäme Kanadier zu sein".

Kanada: Trucker protestieren gegen neue Impfverordnung

Als Vorsichtsmaßnahme wurden der Premier und seine Familie an einen geheimen Ort in der Hauptstadt gebracht. Nur wenige Tage zuvor hatte Kanadas Premier den "Konvoi der Freiheit" noch heruntergespielt. Dieser repräsentiere nur eine "kleine Minderheit", die nicht die Meinung der Mehrheit der Kanadierinnen und Kanadier vertrete. Auslöser für den Konvoi war eine am 15. Januar in Kraft getretene Verordnung, nach der Lkw-Fahrer, die aus den USA einreisen, einen Impfnachweis vorlegen müssen – ansonsten drohen Test- und Quarantäneverordnungen. Kritiker hatten zuvor gewarnt, dass die neuen Impf-Vorschriften die durch die Pandemie ohnehin schon angespannten Lieferketten weiter belasten würden.

"Ich kann nicht mehr arbeiten, weil ich die Grenze nicht überqueren kann", sagte Csava Vizi, ein Lkw-Fahrer, der sich dem Konvoi in Windsor angeschlossen hatte, einem Reuters-Reporter. Der Trucker, der aus dem Fenster seiner Fahrerkabine heraus sprach, erklärte, er lehne den "gefährlichen" Impfstoff ab. Damit ist er jedoch in der Minderheit. Rund 90 Prozent der kanadischen Trucker, die zwischen den Grenzen verkehren, sind bereits geimpft.

Die Vereinigung der kanadischen Lkw-Fahrer (CTA) verurteilte die Proteste. "Wir bitten die kanadische Öffentlichkeit, sich bewusst zu machen, dass viele der Menschen, die Sie in Medienberichten sehen und hören, keine Verbindung zur Lkw-Branche haben", distanzierte sich die CTA am Samstag. 

Kritik vom Bürgermeister – Lob von Trump

Die Einsatzkräfte blieben in Ottawa das ganze Wochenende in Alarmbereitschaft. Zwar verliefen die Proteste größtenteils friedlich, doch seien "mehrere strafrechtliche Ermittlungen im Gange", wie die Polizei via Twitter mitteilte. So wurden in der Menge einzelne mit Hakenkreuzen versehene Kanada-Flaggen entdeckt, eine Demonstrantin wurde dabei gefilmt, wie sie auf einem Kriegsdenkmal herumtanzte und ein Einkaufszentrum musste geschlossen werden, nachdem sich die Protestler weigerten, Masken zu tragen.

Ottawas Bürgermeister Jim Watson richtete am Sonntag eindringliche Worte an die Demonstrierenden: "Sie haben das Recht zu protestieren, Sie haben Ihren Protest gehabt, bitte gehen Sie", sagte Watson. Kanadas Verkehrsminister Omar Alghabra erklärte derweil, dass die Impf-Mandate für Trucker nicht rückgängig gemacht werden. "Impfstoffe sind unsere beste Möglichkeit, uns und unsere Wirtschaft vor Covid-19 zu schützen", sagte Alghabra in einem Interview mit dem kanadischen Sender "CBC". Zudem sei es inakzeptabel, dass irgendwo ein Hakenkreuz gehisst werde, fügte er hinzu.

Unterstützung bekamen die Demo-Teilnehmer hingegen von der Konservativen Partei sowie von der rechten People's Party of Canada (PPC), die selbst an der Kundgebung teilnahm. "Wir sind Superspreader der Freiheit", verkündete PPC-Parteichef Maxime Bernier am Samstag.  Auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump lobte während eines Auftritts in Texas die kanadischen Demonstranten dafür, dass sie "tapfer Widerstand gegen diese gesetzeswidrigen Mandate leisten würden". Dies sei ein Zeichen dafür, dass sich die Politisierung der Pandemie weiter nach Norden ausgebreite.

Proteste in Ottawa gehen weiter

Kanada befindet sich aktuell mitten in der Omikron-Welle. Die hochansteckende Virusvariante sorgt in einzelnen Regionen für eine starke Auslastung in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen. Die Corona-Beschränkungen variieren von Bundesstaat zu Bundesstaat, sind jedoch insgesamt deutlich lockerer als noch vor einem Jahr. Fast überall gilt flächendeckend 2G: Für den Besuch im Restaurant, im Fitnessstudio oder bei Veranstaltungen muss man seinen Impfnachweis vorlegen. Rund 79 Prozent der Bevölkerung sind inzwischen vollständig geimpft.

Abseits der lautstarken Proteste in Ottawa, unterstützt nach einer aktuellen Ipsos-Umfrage ein Großteil der Kanadierinnen und Kanadier die Pandemie-Maßnahmen der Trudeau-Regierung. Demnach sprechen sich 67 Prozent der Befragten sogar für noch striktere Maßnahmen für Ungeimpfte aus, wobei fast die Hälfte (49 Prozent) die Ungeimpften für die andauernde Pandemie verantwortlich macht. Was Impfungen, Lockdowns und die Pandemie im Allgemeinen angeht, sei die Bevölkerung nach Ansicht des CEOs des Meinungsforschungsinstituts Ipsos, Darrell Bricker, zunehmend polarisiert. "Was wir in der ganzen Phase, insbesondere bei Omikron, gesehen haben, ist, dass die Menschen immer mehr gespalten sind", sagte er der Nachrichtenseite "Global News".

Am Montag blieben in Ottawa teilweise die Schulen geschlossen, die Polizei riet den Bürgerinnen und Bürgern, wenn möglich von Zuhause aus zu arbeiten. Premierminister Trudeau will sich im Laufe des Tages zu den Protesten äußern. Unterdessen blockieren die Demonstranten weiterhin einen Teil der Innenstadt. Die Organisatoren des "Freiheits-Konvois" haben angekündigt, solange in der Hauptstadt zu bleiben, bis die Regierung die Impf-Mandate fallen lässt.

Auch Trucker Vizi aus Windsor will standhaft bleiben und verkündete: "Und wenn ich zwei Monate hier bleiben muss, ich werde hier sein."

Quellen: "CBC", "CNN", "Reuters", mit DPA-Material

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