Der afghanische Präsident Hamid Karsai beunruhigt mit Äußerungen über ein Bündnis mit den Taliban seine westlichen Verbündeten. Auf einer nichtöffentlichen Sitzung mit ausgesuchten Parlamentariern drohte er damit, sich bei andauerndem Druck auf seine als korrupt kritisierte Regierung den Taliban anzuschließen. "Er sagte, wenn ich unter ausländischen Druck komme, könnte ich mich den Taliban anschließen", zitierte der Abgeordnete Faruk Marenai aus Nangarhar den Präsidenten. "Er sagte, aus dem Aufstand würde dann Widerstand."
Derzeit gilt in der internationalen Gemeinschaft der Kampf der 2001 von den USA von der Macht vertriebenen Taliban als Aufstand gegen eine demokratisch legitimierte Regierung. Sollte sich Karsai den Taliban tatsächlich anschließen, würde daraus aus afghanischer Sicht Widerstand gegen ausländische Besatzungstruppen.
Karsais Äußerungen vom Samstag kamen einen Tag nach einem schweren Gefecht im Norden, bei denen Taliban drei Bundeswehrsoldaten töteten und acht verwundeten. Im Süden bereiten die USA eine Offensive gegen die Aufständischen vor, für die Karsai am Sonntag in Kandahar warb. Die Offensive würde nur mit Unterstützung der Bevölkerung durchgeführt werden, sagte Karsai bei einem Treffen mit Stammesführern und Gemeindevertretern, an dem auch ISAF-Kommandeur Stanley McChrystal teilnahm.
Die NATO plant in der Provinz Kandahar voraussichtlich im Juni eine Großoffensive gegen die Taliban. Die USA blieben wegen der irritierenden Äußerungen Karsais in einem exklusiven Parlamentarierkreis nach außen hin gelassen. Der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, erklärte, ein für den 12. Mai in Washington geplantes Treffen Karsais mit Präsident Barack Obama sei weiterhin im Terminkalender eingetragen. Er fügte aber auch hinzu: "Im Namen des amerikanischen Volkes, wir sind von den Bemerkungen enttäuscht."
Karsai hatte schon zuvor Unmut mit der Äußerung für Irritation gesorgt, Ausländer hätten hinter dem Betrug bei der Präsidentenwahl im vergangenen Jahr gesteckt. "An diesen Äußerungen ist offensichtlich nichts dran", sagte Gibbs. Aus den Kreisen afghanischer Abgeordneter verlautete, Karsai habe Sorgen über eine Beschädigung der afghanisch-amerikanischen Beziehungen zurückgewiesen.
Er habe Unstimmigkeiten in einem Telefonat mit US-Außenministerin Hillary Clinton ausgeräumt. Sie bezeichneten Karsais Äußerungen als Werben um den Taliban nahestehende Parlamentarier; eine wirkliche Absicht, zu den Aufständischen überzulaufen, habe der Präsident nicht. Das Telefon von Karsais Sprecher Wahid Omar war am Montag abgeschaltet. Bei einem anderen Anschluss wurde nicht abgehoben. Auch an das Telefon von Omars Stellvertreter Hamed Elmi ging niemand ran.
Zwtl: Zehn Tote bei NATO-Militäroperation in Afghanistan Bei einer NATO-Militäroperation im Osten Afghanistans wurden in der Nacht zum Montag zehn Menschen getötet. Der Angriff habe sich gegen ein mutmaßliches Taliban-Versteck in der an Pakistan angrenzenden Provinz Nangarhar gerichtet, teilte die NATO-Schutztruppe ISAF mit. An dem Militäreinsatz seien auch afghanische Soldaten beteiligt gewesen.
Bei allen Todesopfern handele es sich um Aufständische. Kurz zuvor hatte die ISAF eingeräumt, bei einem Militäreinsatz Mitte Februar seien versehentlich fünf Zivilisten erschossen worden. Eine Patrouille internationaler und afghanischer Soldaten eröffnete demnach in Gardes südlich von Kabul das Feuer auf zwei Männer, die die Soldaten fälschlicherweise für Aufständische hielten. Dabei seien versehentlich auch drei Frauen getötet worden.