Krieg im Libanon Die hilflosen Helfer

Die flüchtenden Libanesen brauchen Medizin, Zelte und Wasser. Doch die, die helfen wollen, benötigen selbst Hilfe, weil keiner für ihre Sicherheit sorgt. "Wir appellieren vergeblich an beide Seiten", sagt Thomas Schwarz von der Hilfsorganisation Care zu stern.de.

Noch können die Krisengebiete im Libanon, vor allem diejenigen im Süden, mit Hilfsgütern beliefert werden. Noch. Aber die humanitäre Lage verschlechtert sich täglich: Erst am Montag stoppte eine zerstörte Brücke über den Fluss Litani einen Transport mit medizinischem Gütern von Beirut nach Tyrus. Israelische Bomber hatten die letzte Überführung in der Gegend zerstört. Die Mitarbeiter von "Ärzte ohne Grenzen", die die Hilfslieferung organisiert hatten, mussten vier Tonnen Verbandsmaterial, Infusionen und Narkosemittel mit bloßen Händen über den Fluss tragen.

In einer Beiruter Schule teilen sich 900 Flüchtlinge ein paar wenige Toiletten: Sie dienen sowohl als Abort, wie als Waschzelle als auch zum Wäschewaschen. Einige der Krankenhäuser in der Hauptstadt müssen geschlossen werden, weil es nicht mehr ausreichend Benzin und Öl für die Dieselgeneratoren gibt. Die liefern den Strom für Wasserpumpen und Medikamentenkühlschränke.

100.000 Flüchtlinge allein in Beirut

Mehrere 100.000 Menschen sind nach Schätzungen des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf der Flucht, oder im Süden eingeschlossen oder in Flüchtlingslagern untergekommen - rund 100.000 von ihnen in Beiruter Stadien, Schulen, Tiefgaragen von Einkaufszentren oder in Parks. Die meisten benötigen dringend Hilfsgüter wie Medikamente, Zelte, Decken, Frischwasser.

Den Hilfsorganisationen allerdings wird es immer schwerer gemacht, die Bedürftigen zu unterstützen. Das IKRK beklagt etwa, dass es keine Genehmigung für die Verteilung von Lebensmitteln und medizinischen Versorgungsgütern im südlichen Libanon erhalten habe. Zudem hätten die Militärbehörden entgegen früheren Zusagen keine Sicherheitsgarantien für Hilfstransporte abgegeben. Israel habe sozusagen eine Blockade über Teile das Grenzgebiet verhängt, sagte IKRK-Sprecher Richard Huguenin in Tyrus.

Große Teile der Hilfslieferungen hängen zudem an den Grenzen zum Libanon fest, weil Häfen und Grenzübergänge gesperrt sind. Auch auf dem Seeweg war es Huguenin zufolge nicht mehr möglich, die südlibanesische Bevölkerung zu versorgen. Ein griechisches Schiff mit Hilfsgütern des Roten Kreuzes habe keine Genehmigung erhalten, den Hafen von Tyrus anzusteuern. Offen ist auch, ob und wann eine Wasseraufbereitungsanlage, die die Hilfsorganisation "Care" zurzeit in die Region verschifft, das Krisengebiet erreicht.

Israel versagt sichere Korridore

Dass zudem weder Israel noch Libanon für die Sicherheit der humanitären Helfer sorgen, bestätigen auch "Care" und "Ärzte ohne Grenzen". "Wir appellieren an beide Seiten, für sichere Transport-Korridore zu sorgen", sagt Thomas Schwarz zu stern.de - "allerdings vergeblich". Auch Stephan Große-Rüschkamp von "Ärzte ohne Grenzen" beklagt, dass die Konfliktparteien deren Hilfsankündigungen ignorierten.

Zu allem Überfluss warnt die israelische Armeeführung nun auch noch davor, sämtliche Fahrzeuge, die sich südlich des Flusses Litani bewegten, zu beschießen. Die Wasserstraße durchfließt den Süden Libanons von Osten her und endet nördlich von Tyrus im Mittelmeer. In Flugblättern des israelischen Militärs heißt es, "jedes Fahrzeug wird bombardiert, weil damit Raketen und Waffen für Terroristen transportiert werden könnten".

Noch ist aber zumindest die medizinische Lage im Libanon laut Große-Rüschkamp ausreichend: "Die Infrastruktur ist weitgehend intakt und auch das libanesische Personal ist gut ausgebildet". Allerdings seien die Gesundheitsposten wegen der Sicherheitslage und zerstörter Straßen immer schwieriger zu erreichen, außerdem fehlten zunehmend medizinische Materialien, so Große-Rüschkamp. "Chronisch Kranke sind auf jeden Fall die ersten Leidtragenden des Konflikts."

Was dem medizinischen Personal zudem zu schaffen macht, ist die drohende Überlastungen der Notfallstationen durch die vielen Kriegsopfer. Die häufigsten Diagnosen seien Wundinfektionen und Verbrennungen, heißt es bei der Christoffel-Blindenmission in Beirut. Besonders erschreckend: Es sind viele Kinder unter den Patienten. Die meisten von ihnen kommen aus dem Süden von Beirut und dem Süden Libanons. Medikamente und andere Verbrauchsgüter gehen langsam, aber sicher zur Neige und sind nur schwer zu kaufen. "Die Firmen liefern nichts ohne Barzahlung, zudem steigen die Preise", schreibt die verantwortliche Schwester Nicolas Akiki an die Zentrale im südhessischen Bensheim.

"Es ist eine humanitäre Katastrophe"

"Viele reden davon, dass im Libanon eine humanitäre Katastrophe bevorsteht", sagt "Care"-Mitarbeiter Thomas Schwarz, "ich glaube eher: es ist bereits eine humanitäre Katastrophe." Ganz so arg sieht "Ärzte ohne Grenzen"-Mitarbeiter Stephan Große-Rüschkamp die Lage nicht. Noch nicht. Dennoch müsse dringend etwas passieren. "Einen Zugang zum Süden zu finden, ist fast unmöglich", sagt Große-Rüschkamp, "und die Lebensbedingungen der Bevölkerung verschlechtern sich täglich".

Niels Kruse