Sie ist eine entzückende Braut auf dem Foto, mit großen dunklen Augen, hohen Wangenknochen, Perlenkollier, goldenen Ohrgehängen und Jasminblütenkränzen. Links von ihr sitzt ihr frisch angetrauter zukünftiger Mörder. Daneben ein schmallippiger älterer Herr, der seine Hand segnend über seinen Sohn hält - der Herr Schwiegerpapa und zukünftige Mordkomplize.
Zu betrachten ist ein typisch indisches Hochzeitsidyll. Aber es trügt. Denn obwohl das Paar aus der Mittelschicht stammt und in Mumbais modernster Trabantenstadt Navi Mumbai lebt, wird die Ehe für die junge Braut im Horror enden. Sie wird Opfer eines Mitgiftmords werden - wie jedes Jahr tausende andere junge Inderinnen.
Über die Autorin
Als Swantje Strieder vor einigen Jahren, damals für den Spiegel, aus Indien berichtete, waren Hungersnöte, Mitgiftmorde und Grenzkriege die beherrschenden Themen. Nach Zwischenstationen in Rom, New York und Hamburg ist sie wieder nach Indien zurückgekehrt und lebt in der Mega-City Mumbai. Vom mühsamen und doch faszinierenden Alltag berichtet sie jede Woche in ihrer "mail aus mumbai".
Anderthalb Jahre nach der Hochzeit, am 19. Mai dieses Jahres zündet Ehemann Sunil Kushwaha mit seinem Komplizen-Vater Ram seine junge Frau Mithali mit Kerosin an. Ein Haushaltsunfall, wie er der Polizei erklären wird. In Indien wird vielfach mit Erdgas, aber auch noch mit Kerosin gekocht, an dem die flattrigen Saris aus Kunststoff leicht Feuer fangen können. Die Zwanzigjährige erliegt ihren schweren Verletzungen drei Tage später in einer Mumbaier Spezialkinik. Mithalis Ehe war, wie bei vielen ähnlichen Mitgiftmorden, die Chronik eines angekündigten Todes. Sie wurde nicht nur wegen Kinderlosigkeit gemobbt, sondern auch mit permanenten Mitgift-Nachforderungen bedroht.
"Wir haben allein 8000 Euro für die Hochzeitsfeier bezahlt und noch einmal 3000 Euro Bargeld gegeben. Unsere Tochter bekam 70 Gramm Gold und anderen Hausrat mit in die Ehe," sagt Suman K., Mithalis Mutter, "aber beim TV-Flachbildschirm, bei Kühlschrank und Waschmaschine, die der Schwiegersohn ständig von uns einforderte, mussten wir passen." Nachdem die junge Frau um ihr Leben fürchtete, kehrte sie nervös und verstört in die Wohnung ihrer Eltern zurück." Am 29. April aber stand ihr Mann vor der Tür und bekniete unsere Tochter, zu ihm zurückzukehren. Er würde die Situation daheim schon regeln", sagt Mithalis Mutter. Der Schwiegersohn tat es - auf seine Art.
Im "Schwiegermutter-Trakt" sitzen 120 Mörderinnen
In indischen Ehen ging es historisch eher selten um Liebe, eher um ein fruchtbares Arrangement zwischen zwei Familien gleicher Herkunft und Kaste. Die jungen Leute wurden und werden selten um ihre Meinung gefragt. Heute modernisiert sich Indien in rasendem Tempo, Frauen verdienen als Ingenieure, Managerinnen, Computer-Spezialistinnen mehr Geld als ihre Väter. Heiratskandidaten finden sich übers Internet.
Aber immer mehr Bräute werden umgebracht, weil die Eltern angeblich nicht genug Mitgift zahlen. 1983 gab es 400 Fälle, in denen junge Frauen von ihrem Mann oder Schwiegerfamilie angezündet wurden, im Jahr 2005 waren es laut indischer Kriminalitätsstatistik 7026 Mitgiftmorde. Nicht immer kommt es zur Verurteilung. Aber allein im Tihar Jail, Dehlis größtem Gefängnis, sitzen ungefähr 120 Frauen zum Teil lebenslänglich im sogenannten "Schwiegermutter-Trakt" ein, weil sie ihre Schwiegertöchter grausam abgefackelt haben.
Warum nehmen Mitgiftmorde im modernen Indien immer mehr zu? Das teilweise atemberaubende Wirtschaftswachstum habe einen nie erlebten Materialismus befördert, vermeinen Beobachter. Ein hübsches Sümmchen zur Hochzeit des Sohnes bringe die Mittelklasse ihren Konsumträumen ein gutes Stück näher. Und wenn man den Spross nach einem der bedauerlichen "Küchenunfälle" der ersten Schwiegertochter noch einmal gewinnbringend verheiraten könne, umso besser. Ein Mumbaier Arzt hat es auf diese Weise zu drei "Haushaltsunfällen" mit vier Ehefrauen gebracht, bevor er verhaftet wurde.
Ausbildung statt Mitgift
Eigentlich ist die eher altmodische Form der Mitgift, früher als Schutz und Schatz für die Töchter gedacht, die anders als die Söhne keinerlei Anspruch aufs väterliche Erbe hatten, seit 1961 laut Verfassung verboten. Wenn man allerdings heute in den einschlägigen Heiratsannoncen der Zeitungen liest: "Kaste kein Hinderungsgrund, Mitgift nicht erforderlich", dann heißt das im Klartext: Sohnemann wird nur gegen ordentlich Kasse in nur gute Kaste abgegeben. Wehe, ihr Brauteltern zahlt nicht!
Natürlich gibt es genug indische Frauengruppen und Menschrechtsaktivisten, auch Politker, die seit Jahren gegen die Mitgiftmorde zu Felde ziehen. Im Herbst 2006 wurde ein geradezu revolutionäres Gesetz gegen häusliche Gewalt verabschiedet, dass Mitgiftmorde schon im Vorfeld eindämmen soll, aber noch immer gibt es rund 6000 Brautmorde pro Jahr, wie Familienministerin Renuka Chaudhuri gerade wieder bedauerte. Auch in meinem Mumbaier Bekanntenkreis gibt es diese grausigen Fälle: eine Großnichte von stern-Fotograf Jay Ullal, die urplötzlich aus dem Fenster eines Hochhauses gesprungen sein soll, wahrscheinlich Depressionen, wie der Ehemann erklärte oder die junge Frau, von der unser deutscher Bänkerfreund erzählt, die in ihrer eigenen Küche verbrannte. Beide Vorfälle blieben Aktenzeichen XY- ungelöst.
Der jungen Mithali hat das neue Gesetz jedenfalls nicht mehr geholfen, Aber zum Glück gibt es immer mehr forsche junge Inderinnen, die das ganze Mitgift-System für "idiotisch" halten und die Eltern, die das mitmachen, dazu! "Wenn ich das schon höre, wieviele Millionen Rupies, Autos, Wohnungen und Diamanten für die Mitgift draufgehen!" so die Bloggerin nsaika im Internet, "hey, ihr Eltern, warum seid ihr so blöd und habt nicht eurer Tochter eine gute Ausbildung gegeben? Warum habt ihr nicht
ihr
das viele Geld, Autos, Wohnungen und Diamanten vermacht statt dem fremden Typen!" Vielleicht würde die Tochter dann noch leben! Und besser leben!