"Warum sollen wir aus unseren Religionen ein Problem machen?", sagt Sangga, drückt seine Zigarette aus und läuft voraus in die Moschee. Er streift seine Schuhe ab und betritt den neuen Bau, über dessen helle Marmorfliesen barfüßige Kinder flitzen. Petrus ist schon da, ein Mann aus der christlichen Gemeinde, der beim Bau der Moschee mitgeholfen hat. "Die Christen haben Geld gegeben und mit angepackt", erzählt Sangga, der die Bauarbeiten geleitet hat. Im Gegenzug half die muslimische Gemeinde Buntu Datu in Indonesien beim Bau der neuen Kirche. "Es war ein Erfolg auf ganzer Linie, Toleranz zwischen Christen und Muslimen aufzubauen", sagt Petrus. "Hätten wir das alleine versucht, hätten wir viel länger gebraucht!"
Indonesien
Von den rund 220 Millionen Einwohnern Indonesiens sind rund 88 Prozent Muslime, rund acht Prozent Christen. In den vergangenen Jahren ist es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen militanten Gruppen beider Seiten gekommen.
Die erste Entwicklungshelferin Indonesiens
Das Lob gilt Ruth Beslar Ramba, Entwicklungshelferin und Motivatorin, die still daneben steht und aufmerksam zuhört. Mit wachen Augen schaut die 56-Jährige durch die goldfarben gerahmte Brille. Gleich wird sie zu gut 30 Christen und Muslimen sprechen: Über die Seidenspinnerei, die sie gemeinsam gegründet haben, die Gerechtigkeit zwischen Mann und Frau, der sie sich verpflichtet haben, den Umweltschutz.
Menschen, die Mut machen
Überall auf der Welt gibt es Menschen, die anderen helfen und in scheinbar ausweglosen Situationen Mut machen. Menschen, die oft selbst nichts besitzen, wegen ihres sozialen oder politischen Engagements bedroht werden - und doch nicht aufgeben. Das Hilfswerk der evangelischen Kirche Deutschlands, "Brot für die Welt", unterstützt diese Menschen. Mit Spenden und mit praktischer Hilfe zur Selbsthilfe. So entstanden unzählige Projekte auf allen Kontinenten. In diesem Jahr feiert die Organisation den 50. Jahrestag ihrer Gründung. stern.de stellt in einer Kooperation mit "Brot für die Welt" 26 Menschen vor, die von der Hilfe aus Deutschland profitiert haben - und nun selber zu Helfern geworden sind: zu Menschen, die Mut machen.
Als junge Religionslehrerin war sie eine der ersten Frauen, die sich Anfang der siebziger Jahre vom Indonesischen Kirchenrat zur Motivatorin ausbilden ließen. Es war ein Testlauf; gerade fünf Frauen durften in die Ausbildung. Ruth war dabei schneller als andere; die Arbeit in der Landwirtschaft war ihr vertraut: Schon als Grundschülerin hatte sie ihr erstes eigenes Schwein aufgezogen. 1975 wurde sie als 23-Jährige die erste weibliche Entwicklungshelferin Indonesiens. Sie ging zunächst nach Westtimor, um dort den Flüchtlingen aus dem damals vom indonesischen Militär brutal beherrschten Osttimor zur Seite zu stehen.
"Ich will euch nicht bekehren"
1984 heiratete sie einen Motivatoren-Ausbilder. Ein Jahr später gingen beide in Ruths Heimat nach Sulawesi, um für die protestantische Toraja-Kirche ein Ausbildungszentrum für weibliche Motivatorinnen aufzubauen. Mit Hilfe von "Brot für die Welt" entstand das Trainingscenter Kondoran, ein Seminarzentrum mit üppigen Gemüsegärten, in denen nachhaltige Landwirtschaft betrieben wird. Nach und nach richtete Kondoran in seinem Umfeld Dorfzentren ein. Als es 1998 auch in Sulawesi zu Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen kam, entschloss sich Ruth Beslar Ramba, das Programm für Angehörige aller Religionen zu öffnen und Komponenten der Friedensarbeit mit aufzunehmen. Vor allem die Muslime waren am Anfang skeptisch. Da will eine Frau aus der christlichen Kirche für Frieden sorgen? "Die dachten, ich will sie missionieren", erzählt sie. Es brauchte viel Geduld und Unerschütterlichkeit, um die Menschen zu überzeugen: "Ich will euch nicht bekehren, sondern über Konfliktmanagement, Wirtschaft und nachhaltige Landwirtschaft reden."
Eines ihrer schönsten Komplimente hat ihr ein Imam gemacht. "Ruth", sagte der Moscheevorsteher, "ist für mich wie meine eigene Mutter. Wenn ich in ihrem Haus bin, habe ich das Gefühl, daheim zu sein." Für die Christin war das ein großer Satz: "Nie hätte ich gedacht, dass sich ein Angehöriger einer anderen Religion mir so nahe fühlen kann!"