Vorrangiges Ziel der Luftangriffe auf den Libanon soll es sein, die Hisbollah in die Knie zu zwingen. Opfer der Bombardements ist aber vor allem die libanesische Zivilbevölkerung. Was bezweckt Israel mit dieser Strategie?
Israel will den ganzen Staat, also alle Libanesen für die Hisbollah-Angriffe haftbar machen. Es ist dasselbe Vorgehen, das Israel auch schon in den Palästinensergebieten praktiziert hat. Allerdings erfolglos.
Trifft Israel damit nicht die Falschen?
Vor allem wird Israel das Ziel, die Hisbollah unschädlich zu machen, auf diese Weise nicht erreichen. Israel hat bis 2000 18 Jahre lang den Süden des Libanons, also die Hochburg der Hisbollah, besetzt. In der Zeit ist es Israel auch nicht gelungen, die so genannte Partei Gottes zu bezwingen.
Zur Person
Michael Lüders war langjähriger Nahost-Korrespondent der "Zeit". Er lebt als Politik- und Wirtschaftsberater, Publizist und Autor in Berlin.
Besteht jetzt nicht die Gefahr, dass die israelischen Angriffe die Bevölkerung geradezu in die Arme der radikalen Moslems treibt?
Sicher. Ich glaube, dass die Hisbollah als Punktsieger aus dem Konflikt hervorgeht. Durch das unerbittliche Vorgehen Israels im Libanon und im Gaza-Streifen bekommt die arabische Welt immer mehr den Eindruck, dass Israel im Speziellen und der Westen im Allgemeinen einen Krieg gegen sie führt. Ein Fehler war es daher auch, den Hamas-Wahlsieg nicht anzuerkennen. Dadurch radikalisiert sich die palästinensische Bevölkerung weiter.
Militärische Aktionen Israels gegen Palästinenser und die Nachbarn haben in der Vergangenheit selten dazu geführt, dass die Region auch nur ansatzweise befriedet wurde. Warum hält Israel so sehr an dieser Strategie fest?
Zum einen ist in den Köpfen der Regierung militärisches Denken fest verwurzelt. Zum anderen hat Israel wenig Grund, Rücksicht zu nehmen. Das Land ist zum einen die stärkste Militärmacht im Nahen Osten; zum anderen kann sich die israelische Regierung der uneingeschränkten Unterstützung durch die USA und weitgehend auch durch die EU sicher sein.
Und das wird sich nicht ändern?
Natürlich können sich geopolitische Interessen verschieben. Niemand weiß, ob der Westen auch in zehn, zwanzig Jahren noch hinter Israel steht. Zudem ist der Westen im Grunde gespalten: Offiziell gibt man sich zwar nachsichtig und verständnisvoll, doch nicht Wenige sind auch der Ansicht, dass Israel schlicht den Verstand verloren hat.
Welche Rolle spielen die Verbündeten Syrien und Iran in dem aktuellen Konflikt?
Die Hisbollah, die von Syrien und Iran unterstützt wird, dürfte die Entführung der beiden israelischen Soldaten mit den beiden Ländern abgesprochen haben. Diese Geiselnahme war ja der Anlass für die jetzige Krise, auch wenn sich Israel nicht zweimal hat bitten lassen, diese Steilvorlage zu nutzen. Letztendlich wäre es sinnvoll, Teheran in die Friedenssuche einzubeziehen. EU-Außenkommissar Javier Solana hat das auch vorgeschlagen, fand damit in Washington und Jerusalem aber kein Gehör.