Nordirland-Konflikt Schwerste Krawalle seit Jahren in Belfast

Das Verbot einer Parade des protestantischen Oranierordens durch ein katholisches Stadtviertel hat in Belfast die schwersten Straßenschlachten seit fast zehn Jahren ausgelöst.

Bei den schwersten Ausschreitungen in Nordirland seit Jahren sind in der Nacht zum Sonntag in Belfast 32 Polizisten verletzt worden. Auch ein Zivilist wurde schwer verletzt, teilte Polizeichef Hugh Orde mit. Mehrere hundert zum Teil vermummte Anhänger protestantischer paramilitärischer Organisationen hätten die Sicherheitskräfte "auf konzentrierte und organisierte Weise" angegriffen. Die protestantischen Extremisten attackierten dabei die nordirische Polizei ebenso wie britische Soldaten und setzten auch selbst gebaute Granaten, Brandbomben und Schusswaffen ein.

Regelmäßige Zusammenstöße

Die in der Vergangenheit oft von Zusammenstößen begleiteten jährlichen Paraden der Oranier-Gruppen durch vorwiegend von Katholiken bewohnte Gebiete erinnern an einen Sieg des protestantischen britischen Königs Wilhelm von Oranien über seinen vom englischen Parlament abgesetzten katholischen Vorgänger Jakob II. im Jahre 1690. Seit dem Karfreitagabkommen von 1999 zwischen katholischen pro-irischen Gruppen und pro-britischen Protestanten war die Heftigkeit der Ausschreitungen jedoch deutlich geringer als früher.

Die 1000 Polizisten und 1000 Soldaten, die den Marsch begleiteten, wurden mit Steinen, Brandsätzen und Sprengkörpern angegriffen. Außerdem seien 50 Schüsse auf die Sicherheitskräfte abgefeuert worden, wurde berichtet. In Belfast und einer Reihe benachbarter Städte wurden Straßensperren errichtet, Autos und Busse in Brand gesetzt sowie Sprengsätze gezündet. Polizisten setzten Gummigeschosse und Wasserwerfer gegen die Angreifer ein. Nordirlandminister Peter Hain sprach von schwerer Kriminalität. Er will an diesem Montag in Nordirland die Vorfälle und etwaige Konsequenzen mit der Polizei erörtern.

Echo aus der Zeit von vor 30 Jahren

Auch aus anderen überwiegend protestantischen Städten und Dörfern Nordirlands wurden Unruhen gemeldet. Stellenweise stießen katholische Extremisten auf die Demonstranten und griffen sowohl Protestanten als auch Polizisten an. Die Beamten mussten Schutz hinter gepanzerten Wagen suchen. Sie setzten Wasserwerfer und Gummigeschosse ein, um die Angriffe abzuwehren und verfeindete Gruppen auseinander zu halten. "Heute haben wir ein Echo aus dem Nordirland von vor 30 Jahren erlebt", kommentierte ein Reporter der BBC das Ausmaß der nächtlichen Unruhen auf den Straßen.

Der Polizeichef von Nordirland, Hugh Orde, warf den Oraniern am Sonntag vor, die Unruhen geschürt zu haben. Er appellierte an die Führung des Ordens, weitere Protestaktionen seiner Mitglieder zu unterbinden. Der Orden wies die Kritik indessen als "maßlos, aufrührerisch und unzutreffend" zurück. Sie kritisierten ihrerseits, dass der für die Märsche zuständige staatliche Ausschuss den Zugweg geändert habe. Vielmehr habe die Polizei auf der ganzen Linie versagt. Einige moderate Politiker des protestantischen Lagers warfen der Polizei vor, zu hart gegen die Demonstranten vorgegangen zu sein. Eben deshalb sei die gespannte Lage eskaliert.

Oranier beharren auf ihrer Parade

Die bislang schwersten von Protestanten ausgelösten Unruhen fanden im Sommer 1996 statt. Extremisten in ganz Nordirland randalierten vier Nächte lang, nachdem eine geplante Marschroute der Oranier nicht genehmigt worden war. 1997 setzte die britische Regierung dann eine Sonderkommission ein, die strikte Auflagen für künftige Märsche propagierte. Im Zuge des Friedensprozesses, der zum Karfreitagsabkommen von 1998 führte, nahm die Gewalt am Rande der Paraden ab, die Lage blieb jedoch immer gespannt. Oranier nehmen für sich in Anspruch, überall ihre Paraden abhalten zu können.

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