Der am Samstag gestorbene nordkoreanische Machthaber Kim Jong Il hinterlässt kein leichtes Erbe. Das atomar gerüstete Land ist international weitgehend isoliert und von gravierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Versorgungsproblemen betroffen. Ob die kommunistische Führung in Pjöngjang auch mit Kims jüngstem Sohn Kim Jong Un zu dringend notwendigen Kurskorrekturen bereit wäre, gilt als ungewiss. Seinen Sohn hat der Machthaber zuletzt auf die dynastische Machtübernahme in dritter Generation vorbereitet. Ob der kaum 30-Jährige allerdings nicht nur den Respekt der Elite, sondern auch schon den vollen Rückhalt im Militär genießt, bezweifeln viele.
Nur selten lässt Pjöngjang einen Blick hinter die Kulissen der Macht zu. In den Staatsmedien wird Kim Jong Un zwar als "großartiger Nachfolger" und "neuer vom Himmel gesandter Führer" gepriesen. Doch drang bisher kein offizielles Wort der Partei oder der mächtigen nationalen Verteidigungskommission nach außen, ob und wann Kim Jong Un auch formell die Machtspitze übernehmen könnte.
Bisher hatte ihm Kim Jong Il den Titel eines Vier-Sterne-Generals verliehen und einen Posten im Zentralkomitee der Partei anvertraut. Das Überleben des Regime hängt deshalb von verschiedenen Faktoren ab. "Der innenpolitische Faktor ist, ob und wie schnell Kim Jong Un fähig ist, Schlüsselpositionen der Macht im Militär, in der Partei und in der Regierung einzunehmen - in dieser Reihenfolge." Das schreibt der Vorsitzende des Asan-Instituts für politische Studien in Seoul, Hahm Chaibong, im "Wall Street Journal". Kims Legitimität basiere auf der Tatsache, dass er Kim Il Sungs Enkel und Kim Jong Ils Sohn sei.
Militär als wahrer Machthaber
Einem anderen, in Südkorea verbreiteten Gedankengang zufolge besetzt Kim Jong Un zwar höchste Posten. Doch dahinter könnte ein harter Flügel des Militärs und der Partei - vorerst zumindest - das Sagen haben. Das gelte auch für die Verhandlungen mit der Supermacht USA über das nordkoreanische Atomprogramm. Das Regime betrachtet ein Atomwaffenarsenal als Überlebensversicherung. Das hat nach Ansicht von Beobachtern auch Kim Jong Un verinnerlicht.
Die Ernennung Kim Jong Uns im vergangenen Jahr zum Vier-Sterne-General durch seinen Vater wurde deshalb im Zusammenhang der Songun-Politik, oder "Militär-Zuerst"-Doktrin des Staates, verstanden. Ein hoher militärischer Titel bildet eine gute Basis für eine politische Karriere.
Das mächtigste Entscheidungsgremium in Nordkorea ist die Nationale Verteidigungskommission, die die Kontrolle über die 1,2 Millionen Mann starke Armee ausübt. Als Vorsitzender der Kommission war Kim Jong Il oberster Machthaber des Staates. Drei Jahre vor dem Tod seines Vaters und "ewigen Präsidenten" Kim Il Sung 1994 war Kim bereits oberster Befehlshaber der Streitkräfte, die ebenso einen wichtigen Wirtschaftsfaktor im Staat bilden. Durch Waffenhandel und eigene Unternehmen verschafft sich die Volksarmee ausländische Devisen.
Eine große Rolle für eine störungsfreie Machtübergabe könnten auch Kim Jong Uns Verwandte spielen. So hatte Kim Jong Il vorgesorgt und jeweils die Stellung seiner jüngeren Schwester Kim Kyong Hui und ihres Mannes Jang Song Thaek innerhalb der Partei gestärkt. Sie galten Kim Jong Il als Personen des Vertrauens. Jang war unter anderem Stellvertreter Kims in der Verteidigungskommission.