Protest gegen Sparmaßnahmen Portugal - nichts geht mehr

In Portugal hat ein Generalstreik gegen den Sparkurs der Regierung am Mittwoch praktisch das gesamte Land lahmgelegt. Durch die Branchen hinweg beteiligten sich Ärzte, Lehrer, Feuerwehrmänner und Angestellte des Transportwesens massiv an dem Ausstand, die Gewerkschaften sprachen vom größten Streik der Geschichte.

Die portugiesischen Gewerkschaften haben am Mittwoch aus Protest gegen Sparmaßnahmen mit einem Generalstreik das öffentliche Leben massiv beeinträchtigt. Am größten Flughafen der Hauptstadt Lissabon wurden fast alle Flüge gestrichen. Auch Züge und Busse fuhren nicht. Die Häfen blieben nach Gewerkschaftsangaben geschlossen. Auch die Banken nahmen am Ausstand teil. Rund um die Hauptstadt entstand ein Verkehrschaos, da viele Menschen aufs Auto umstiegen. Geschäfte und Restaurants blieben aber geöffnet, auch der Lieferverkehr lief normal.

Nach Darstellung der Gewerkschaften war es der größte Streik in der Geschichte Portugals. 75 Prozent der Arbeitnehmer hätten sich daran beteiligt. Kritiker werfen der Regierung vor, mit ihrem Sparkurs die Falschen zu treffen und die Konjunktur abzuwürgen.

Die beiden größten Gewerkschaften des Landes, die erstmals seit mehr als 20 Jahren gemeinsam zu einem Streik aufgerufen hatten, wollen mit ihren Protesten die sozialistische Minderheitsregierung treffen. Portugal gehört in der Schuldenkrise zu den Sorgenkindern in der Euro-Zone. Das Vertrauen der Anleger in das hoch verschuldete Land hat auch unter der Lage in Irland gelitten. Experten zufolge muss das Land seine Sparpläne schnell umsetzen, um ein Schicksal wie Irland oder Griechenland zu verhindern. Höhere Zinsen auf Staatsanleihen würden die Haushaltsmisere verschärfen und könnten Portugal in eine Schieflage bringen. Von Reuters befragte Volkswirte gehen davon aus, dass die Regierung einen Antrag auf Hilfen aus dem europäischen Rettungsschirm stellen wird.

Ein Experte von der Universität in Coimbra sagte, der Streik werde sicher nicht dazu führen, dass die Regierung wichtige Teile ihres Sparpakets ändere. "Aber er stellt ein zusätzliches Element an Unsicherheit in einer ohnehin instabilen Lage des Landes dar", sagte Sozialforscher Elisio Estanque. Obwohl die portugiesische Wirtschaft in diesem Jahr wieder wachsen dürfte, fürchten Volkswirte, dass sie 2011 wegen der Sparmaßnahmen in eine Rezession abrutschen könnte. Die beschlossenen Einschnitte im öffentlichen Dienst sowie höhere Steuern werden den Konsum voraussichtlich um fünf Prozent ins Minus drücken. Die Arbeitslosigkeit liegt mit 10,9 Prozent so hoch wie seit den 80er Jahren nicht mehr.

Auf der Straße war die Meinung geteilt. "Dieser Streik ist vollkommen absurd", sagte ein 36-jähriger Biologie-Lehrer. "Die Portugiesen müssen verstehen, dass kein Geld da ist und deswegen müssen die Leute arbeiten, damit wir an Geld kommen." Andere waren verärgert. "Es sind die Arbeiter, die für die Krise zahlen, nicht die Banker und auch nicht die Aktienbesitzer der großen Unternehmen", sagte der Rentner Leandro Marins. Und eine 66-jährige pensionierte Lehrerin beklagte: "Was auf die nächste Generation zukommt, ist sehr traurig. Ich sehe keine andere Lösung für sie, als das Land zu verlassen, um woanders neue Möglichkeiten zu haben.

Experten rechnen nicht mit schweren Folgen für Wirtschaft

Experten rechneten indes nicht damit, dass der Streik schwerwiegende Folgen für die Wirtschaft haben wird. Allerdings musste Volkswagen seine Produktion vor Ort stoppen. Im Durchschnitt werden dort pro Tag bis zu 500 Fahrzeuge gefertigt. Zudem strich die portugiesische Airline TAP die meisten Flüge. Auch die größte deutsche Fluggesellschaft Lufthansa reduzierte ihr Flugprogramm nach Portugal vorsorglich und strich insgesamt ein Dutzend Flüge aus Deutschland nach Lissabon und Porto. Die kleinere Konkurrentin Air Berlin brachte ihre Passagiere mit Bussen nach Sevilla ins Nachbarland Spanien, von wo aus sie direkt oder über Mallorca nach Deutschland zurückfliegen konnten. Dafür hatte Air Berlin drei Flüge umgeleitet. Zwei Verbindungen wurden gestrichen.

Reuters
Reuters/AFP