Russischer Geheimdienst Rückkehr zur Diktatur?

Der russische Präsident Putin schürt Ängste, den KGB in leicht abgewandelter Form auferstehen zu lassen und damit den Weg für eine neuerliche Diktatur zu ebnen.

Knapp zehn Jahre nach seiner offiziellen Auflösung droht der gefürchtete frühere sowjetische Geheimdienst KGB wieder zum Leben zu erwachen. Den Grund für diese Ängste lieferte der russische Präsident Wladimir Putin, als er in dieser Woche den gesamten Sicherheitsapparat neu konzipierte und eine Art Superbehörde schuf. Putin, ehemaliger KGB-Agent und später Leiter des Nachfolgedienstes FSB, hat drei wichtige Behörden aufgelöst und dafür den FSB mit weit reichenden neuen Befugnissen und umfangreichen Mitteln aufgerüstet.

Kritiker befürchten die Wiederauferstehung des KGB

Während Kritiker eine Wiedergeburt des "KGB-Phoenix" aus der Asche befürchten, spielt der frühere Sicherheitsrat-Vorsitzende Andrej Kokoschin die Reorganisation als "längst überfälligen Umbau zur höheren Effizienz" herunter. Und der frühere FSB-Chef Nikolai Kowaljow bezeichnete die Änderungen als Notwendigkeit, um "den Grad der Zusammenarbeit zu erhöhen".

Beeinflussung von Wahlen?

In der Umstrukturierung wurde dem FSB der größte Teil von FAPSI unterstellt, der Regierungsbehörde für Kommunikation und elektronische Überwachung. Da FAPSI-Spezialisten das elektronische System zur Stimmenauszählung bei Wahlen geschaffen haben, befürchten Kritiker, dass der FSB nunmehr auch jeden Wahlausgang beeinflussen könnte.

Russische Grenztruppen unter dem FSB

Der "Rückfall in KGB-Zeiten" wurde auch durch die Unterstellung der russischen Grenztruppen unter FSB-Kontrolle deutlich. Mit der rund 100 000 Mann starken Privatarmee, ausgerüstet mit Panzern und Flugzeugen, übernimmt jetzt der FSB wie einst der KGB die Überwachung der Grenzen des russischen Riesenreiches.

Nur Auslandsgeheimdienst bleibt unangetastet

Putins Rundumschlag gegen die vermeintlich ineffizienten Behörden erfasste auch die übel beleumdete Steuerpolizei, die nunmehr dem Innenministerium unterstellt wurde. Von allen wichtigen Teilen des Sicherheitsapparates blieb lediglich der Auslandsgeheimdienst SWR vorerst unangetastet.

FSB bleibt kleiner als ehemaliger KGB

Trotz der symbolischen Wiederauferstehung des KGB ist der neue FSB vom Umfang seines Vorläufers, der fast 500 000 Mitarbeiter beschäftigt hatte, noch weit entfernt. "Mir persönlich gefällt dieser Schritt nicht, denn diese Dienste sollten voneinander getrennt bleiben", sagte Arseny Roginski, Leiter der Menschenrechtsorganisation "Memorial, die für die Opfer der sowjetischen Repressionen eintritt. "Aber eine direkte Rückkehr zum KGB-System ist dies nicht", meinte er. "Gestern waren sie bei Putin alle noch getrennt verantwortlich, heute tragen sie die Verantwortung kollektiv."

Rückkehr zur Diktatur?

Beobachter verwiesen darauf, dass Putin keinen Kontrollmechanismus für die neue Superbehörde eingerichtet hat. "Nur Putins guter Wille verhindert, dass Russland bei dieser Gratwanderung zur Diktatur wird", kommentierte der Militärexperte Pawel Felgenhauer in der "Moscow Times". "Wie lange wird diese Gnade erhalten bleiben?"

Ehemalige KGB-Funktionäre in hohen Rängen

Auffallend war zudem, dass der frühere Geheimdienstler Putin zuletzt immer mehr ehemalige Angehörige des KGB um sich geschart hat. Während in anderen Ländern des früheren Ostblocks einstige Geheimdienstler kaum öffentliche Ämter bekleiden dürfen, scheint eine KGB-Zugehörigkeit in Russland eine Berufsvoraussetzung bei der Ausschreibung hoher Ämter zu sein. Die prominentesten KGB-Männer in hohen Ämtern sind nach Putin der Verteidigungsminister Sergej Iwanow und der Leiter des neuen Staatskomitees zur Drogenbekämpfung, Viktor Tscherkessow.

Nick Allen