Silvio Berlusconi ist vor allem eines: ein begnadeter Verkäufer. Und das Produkt, das er verkauft, ist er selbst. Eine Woche vor den Parlamentswahlen lässt der Ex-Ministerpräsident und frühere Sänger auf Musikdampfern die Italiener mit einem neuen Parteisong beschallen, dessen Sound nach Schlagerfestival von San Remo klingt. "Ein Glück, dass es Silvio gibt!" lautet der eingängige Refrain des Wahlkampf-Ohrwurms. Der 1,64 Meter kleine Mann mit dem großen Ego stilisiert sich gern als Retter der Nation, der nach zwei Jahren zerstrittener Mitte-Links-Regierung angeblich alles besser machen wird.
Und alles deutet darauf hin, dass der 71-Jährige eine dritte Amtsperiode schaffen könnte. Der Milliardär und Medientycoon verspricht nach allen Seiten Steuergeschenke und fordert von Wahlplakaten die Abschaffung der Immobiliensteuer. Seine frauenfeindlichen Plattitüden lassen ihm seine Anhänger freilich durchgehen. Einer attraktiven jungen Studienabgängerin, die sich mit Zeitarbeit über Wasser hält, riet er kürzlich, sie solle doch bitteschön einen reichen Erben wie Berlusconi jr. heiraten, dann hätte sie ihre Probleme gelöst. Auf einer Wahlkampfveranstaltung für Frauen rief der stets gepuderte Mann mit dem transplantierten Haar auf der Halbglatze die anwesenden Damen dazu auf, ihrer eigentlichen Bestimmung dem Manne zu dienen nachzukommen und Kuchen für die Wahlhelfer zu backen.
Gesetz wird das, was ihm nützt
Berlusconi drängt an die Macht zurück, um dort weiterzumachen, wo er vor zwei Jahren aufgehört hat. Ganz nach der bewährten Devise: Gesetz wird das, was ihm und seinem Unternehmen nützt. Was stört, muss weg. Der drittreichste Mann des Landes kontrolliert ein gigantisches Imperium mit rund 150 Firmen, Bank- und Versicherungsbeteiligungen. Ihm gehören neben den TV-Sendern Italia 1, Canale 5 und Rete 4, auch Radiosender, Vertriebsgesellschaften für Filme, Produktions- und Verleihfirmen, eine Kinokette mit mehr als 200 Sälen, die größte Werbeagentur Pubitalia und das größte Verlagshaus Mondadori, das auch das Nachrichtenmagazin "Panorama" herausbringt. 25.000 Menschen arbeiten direkt für seine Firmen. Hinzu kommen tausende Mitarbeiter von Firmen, auf die er indirekt Einfluss hat.
Der Selfmademan aus kleinbürgerlichen Verhältnissen hat offen zugegeben, dass er sich vor 16 Jahren in die Politik stürzte, um sein Imperium zu retten. "Wenn ich nicht in die Politik gehe", sagte er einst, "lassen sie mich Pleite gehen und im Gefängnis enden." Um seine wirtschaftlichen und juristischen Probleme zu lösen, führte Berlusconi einen Politikstil ein, der bislang in den westeuropäischen Demokratien undenkbar war - Italien wurde umgebaut nach den Bedürfnissen seines Regierungschefs. Seine marode Firma führte er nach einem Jahrzehnt aus den roten Zahlen zu zweistelligem Milliardengewinn.
Er machte sich das Fernsehen untertan
Kaum war er im Amt, machte er sich das staatliche Fernsehen untertan. Berlusconi ernannte willfährige Programmdirektoren und Moderatoren und feuerte Kritiker. Von seinen eigenen und den nun gleichgeschalteten öffentlichen Sendern entfachte er dann ein Propagandafeuer gegen die vermeintlich kommunistisch beeinflusste Richterschaft, denn es galt, einige noch nicht verjährte Prozesse wegen Betrug, Steuerhinterziehung, Korruption, Erpressung und Mafiaverbindungen gegen ihn und seine Erfüllungsgehilfen zu blockieren.
Vor allem beim vertrackten Sme-Prozess musste nachgeholfen werden. Bei der Privatisierung der staatlichen Supermarktkette Sme soll Berlusconi 1986 mit Schmiergeld nachgeholfen haben. Akribisch hatten Mailänder Staatsanwälte den Weg von rund 100.000 Euro über diverse Mittelsmänner auf das Schweizer Konto eines römischen Richters verfolgt. Zuerst versuchte Berlusconis Justizminister den Richter im Sme-Prozess zu versetzen, doch das Vorhaben scheiterte vorm Berufungsgericht.
Angeklagter darf Prozess-Verlegung verlangen
Also paukten Berlusconis Anwälte, die als Abgeordnete im Parlament saßen, ein Gesetz durch, um das Verfahren zu stoppen. Das Gesetz zur Verlegung von Strafverfahren: Hat ein Angeklagter Anlass, an der Unvoreingenommenheit seiner Richter zu zweifeln, darf er die Verlegung des Prozesses verlangen. Die Verteidiger von Berlusconi und Cesare Previti, seinem früheren Anwalt, späteren Verteidigungsminister und nun Mitangeklagten forderten wiederholt, das Verfahren von Mailand nach Brescia zu verlegen. Als sie damit jedoch nicht durchkamen, verabschiedete das Parlament eilig das Immunitätsgesetz, dass Inhaber der höchsten Staatsämter vor Strafverfolgung schützt. Dank dieses Gesetzes ist Berlusconi die Sorge, um eine Verurteilung im Sme-Prozess losgeworden.
Die Demontage der Justiz unter Berlusconi war breit angelegt: Italien erschwerte etwa die Rechtshilfe über nationale Grenzen hinweg. Die Beweiskraft ausländischer Dokumente, etwa Schweizer Bankauszüge, wurde somit ausgehöhlt. Viele über Jahre gesammelte Beweise waren über Nacht wertlos. Steuerdelikte wurden straffrei und die Verjährungsfristen der Strafprozesse von 15 auf 10 Jahre gekürzt. Und wer trotz schleppender Justiz durch drei Instanzen nicht ungestraft davonkam, dem half das Immunitätsgesetz,
Hafterleichterungen für Mafiosi
Der Antimafia-Kampf kam während der Regierung Berlusconi nur noch lasch voran. Mafiosi bekamen mildere Haftbedingungen, das Schutzprogramm für Aussteiger wurde heruntergefahren, die Verwendbarkeit ihrer Aussagen eingeschränkt. Im Ausland blamierte sich der italienische Regierungschef mit einem Affront gegen den deutschen Abgeordneten Martin Schulz im Straßburger Parlament, den er mit einem KZ-Wächter verglich. Die offiziellen Gruppenfotos, auf denen Berlusconi den Staatsmännern die Hörner zeigt, gingen um die ganze Welt.
Silvios rasanter Aufstieg zum Milliardär Ende der 70er Jahre wird seit jeher von Mafia-Gerüchten begleitet. Über die Finanzgesellschaft Fininvest, heißt es, sei Geld der Mafia gewaschen worden. Ein Aussteiger aus dem Milieu sagte vor Gericht, Berlusconi und sein Spezi Marcello Dell'Utri hätten jahrelang mit den Bossen der sizilianischen Mafia Cosa Nostra gute Geschäfte gemacht. Dell'Utri, der jahrelang Berlusconis Werbkonzern Pubitalia führte und der für ihn 1992 die Parteigründung Forza Italia organisierte, soll nach Zeugenaussagen der Verbindungsmann zwischen Berlusconi und der Mafia gewesen sein. 2004 ist der Sizilianer in erster Instanz zu neun Jahren Haft verurteilt worden, ist aber auf freiem Fuß.
300 Millionen Euro auf das Konto einer Tarnfirma
Berlusconi konnten seine Kontakte zur Mafia nie nachgewiesen werden. Immer wieder gelang es ihm in der Vergangenheit, den Kopf aus der Schlinge der Justiz zu ziehen. Im Prozess wegen seiner Mitgliedschaft in der umstürzlerischen reaktionären Geheimloge P2 half ihm 1989 eine Amnestie. Im Verfahren wegen Bestechung der Steuerpolizei wurde er mangels ausreichender Beweise freigesprochen. Auch im Prozess um illegale Parteispenden an seinen großen Gönner, den Regierungschef Bettino Craxi in den 80ern, hatte er Glück. Nach den Ermittlungen sollen in wenigen Jahren 300 Millionen Euro auf das Konto einer Tarnfirma in der Schweiz geflossen sein, die Berlusconi als schwarze Kasse diente. Nach einer Verurteilung in erster Instanz erklärte das Berufungsgericht die Tat für verjährt.
Die Justiz werde ihm nichts anhaben können, glaubte Berlusconi selbstgerecht. "Nur das Volk" dürfe über ihn urteilen, hatte der Politiker gern betont. Nun sind die Italiener am 13. und 14. April aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.