US-Zwischenwahlen Texas erobern: Wie ein Demokrat das Unmögliche schaffen will

Beto O'Rourke macht in Texas Wahlkampf
Beto O'Rourke macht in Texas Wahlkampf
© Daisuke Tomita / Picture Alliance
In Texas arbeitet ein Demokrat an einer Revolution: Beto O'Rourke möchte für die Bastion der Republikaner in den Senat einziehen. Er kämpft gegen den "wunderschönen Ted", der nun sogar seinen einstigen Rivalen Donald Trump zu Hilfe holt.

An einem heißen Samstagnachmittag steht Beto O'Rourke auf einer Bühne im südlichsten Zipfel von Texas und spricht über ein blindes Eichhörnchen. Draußen knallt die Sonne vom Himmel, drinnen in der kühlen, halbdunklen Aula sitzen ein paar hundert Menschen und hören dem Kandidaten der Demokraten zu. Sie wirken elektrisiert von dem 46-Jährigen, springen immer wieder von ihren Sitzen auf und zücken ihre Smartphones. "Beto for President!", ruft ein Mann und die Menge bricht in Jubel aus. O'Rourke will etwas sagen, aber er ist kaum zu verstehen und als sich das Publikum dann doch beruhigt hat, erzählt er von dem Eichhörnchen.

Seine zehnjährige Tochter kümmert sich um das Tier, seit dieser Woche kann es wieder sehen und der Kandidat sagt, vielleicht sei das ein gutes Zeichen. Die Menschen lachen.

O'Rourke gilt als Hoffnungsträger der Demokraten, er will das vermeintlich Unmögliche schaffen und für Texas in den Senat einziehen. Er will also in einem Bundesstaat gewinnen, der eigentlich fest in der Hand der Republikaner ist. Das letzte Mal, dass die Demokraten hier einen Senatoren stellten, war vor 25 Jahren. O'Rourke tritt gegen Ted Cruz an, der 2016 um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner kämpfte, an Donald Trump scheiterte und nun zu einem Problemfall für die Republikaner geworden ist.

Ein Außenseiter, der Rekordsummen einsammelt

Die Demokraten hoffen, bei den Wahlen am 6. November die Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments zu holen. Im Repräsentantenhaus stehen die Chancen dafür nicht schlecht, im Senat sieht es schwieriger aus. Die Partei müsste alle ihre zur Wahl stehenden Sitze halten und noch zwei weitere hinzugewinnen. Deshalb stehen einige Rennen unter besonderer Beobachtung. Jenes in Texas - das eigentlich als sichere Bank der Republikaner galt - ist eines davon.

O'Rourke ist der Außenseiter hier, in Umfragen liegt er hinter Cruz. Beachtlich ist aber, dass ihm überhaupt eine Chance ausgerechnet wird - und dass der Wahlkampf die Republikaner in einer ihrer Bastionen so viele Ressourcen kostet, die sie dringend anderswo bräuchten. O'Rourke hat über 61 Millionen US-Dollar an Spenden gesammelt - eine Rekordsumme. Ted Cruz kommt auf 35 Millionen.

Kreuz und quer tourt O'Rourke mit dem Auto durch den Staat, der fast zwei Mal so groß ist wie Deutschland, aber nur 28 Millionen Einwohner hat. Der Auftritt in der Aula in der Stadt Harlingen ist sein dritter an diesem Samstag. Das Publikum ist bunt gemischt, Mütter mit Kindern sitzen neben Rentnerpaaren, viele Latinos sind gekommen. Eine ältere Frau sagt, sie sei froh, hier zu sein unter Gleichgesinnten, in ihrem Country Club seien fast nur Republikaner. Sie drängt sich nach vorne, um einen besseren Blick auf den Kandidaten zu bekommen.

Das Versprechen eines anderen Amerika

O'Rourke steht am Bühnenrand. Ein drahtiger Typ, sein hellblaues Hemd steckt in einer dunklen Hose, die Ärmel sind hochgekrempelt. Beim Reden gestikuliert er meist wild mit einer Hand. Seine Stimme ist tief, sie klingt entschlossen. Manchmal wechselt er ins Spanische.

"Das ist verrückt, es sind noch 24 Tage, bis wir über die Wahl unseres Lebens entscheiden", sagt er.

In seiner Rede schlägt er einen Bogen von einem Schiff mit jüdischen Flüchtlingen aus Deutschland, das 1939 von den USA zurückgeschickt wurde, zu Donald Trumps Null-Toleranz-Politik gegenüber illegalen Einwanderern. Er spricht lange über die Familien, die aufgrund von Bestimmungen der Trump-Regierung auseinandergerissen wurden an der Grenze zu Mexiko. Er redet über das Gesundheitssystem, über Veteranen, die sich das Leben nehmen, weil sie keine Hilfe bekommen. Er fragt, ob Lehrer im Raum seien - und als ein paar Hände in die Luft schnellen, dankt er ihnen für ihre Arbeit und schimpft darüber, dass sie so schlecht bezahlt würden.

O'Rourkes Wahlkampfveranstaltungen erinnern an die von Barack Obama und Bernie Sanders. Wie die beiden Parteifreunde begeistert auch er seine Anhänger mit dem Versprechen eines anderen Amerikas. Es ist ein optimistischer Gegenentwurf zur oft so düsteren Gegenwartsbeschreibung von Donald Trump und dessen Republikanern, die in ihren Reden vor allem die Ängste der Menschen beschwören.

Texas im Wandel

O'Rourke macht seit 20 Monaten Wahlkampf. Der Kongressabgeordnete war in allen 254 Bezirken des Bundesstaates. Selten vergisst er, das auch zu erwähnen. Er hat nach eigenen Worten kein Geld von großen Lobbygruppen genommen. Auch das erwähnt er oft.

Aber kann das reichen für einen Sieg? In diesem eigentlich so durch und durch republikanischen Staat?

Texas, das sind Berge, die sich im Licht der untergehenden Sonne rot färben. Highways, die sich durch menschenleere Landschaften ziehen und an deren Rändern tote Kojoten und zerfetzte Reifen liegen. Riesige Rinderherden, deren derber Geruch einem schon von Weitem in die Nase sticht. Ölpumpen, die monoton auf und ab wippen. Aber auch riesige Windparks. Obstplantagen im Rio Grande Valley. Hochhäuser in Houston und Dallas. Hippe Brauereien in Austin. Der Bundesstaat wandelt sich, Latinos machen inzwischen fast 40 Prozent der Bevölkerung aus.

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Bei der Wahl 2016 holte Trump hier 52 Prozent der Stimmen. Die Republikaner haben die Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus des Bundesstaates, sie stellen den Gouverneur. Aber das Rennen zwischen Cruz und O'Rourke ist enger, als es vor einem Jahr schien. Viel könnte von der Wahlbeteiligung abhängen.

Auch Ted Cruz zieht durch Texas 

An einem Freitagnachmittag steht ein afroamerikanischer Pastor auf der Bühne eines rustikalen Saloons in Houston und spricht ein Gebet für Ted Cruz. Die Menge ist kleiner als bei O'Rourkes Auftritt, aber sie ist nicht weniger bunt. Alte, Junge, Latinos und Schwarze stehen nebeneinander. Kellnerinnen in Cowboystiefeln schenken Bier aus.

Ein örtlicher Parteivorsitzender der Republikaner ruft das Publikum dazu auf, das Treue-Gelöbnis gegenüber der amerikanischen Flagge abzulegen. Und weil Texas noch ein eigenes Gelöbnis auf die Flagge des Bundesstaates hat, gerade aber keine an der Wand hängt, zückt er sein Handy und hält ein Bild der Flagge in die Luft.

Als Cruz wenig später die Bühne betritt, jubeln die Menschen. "Gott segne Texas!", ruft er. Der 47-Jährige preist die Erfolge der Republikaner unter Trump, die Steuerreform, den Abbau von Regulierungen, die Besetzung der Gerichte mit konservativen Richtern. Er trägt die Arbeitslosenzahlen vor und klingt dabei wie ein Pfarrer, der von der Kanzel predigt. Er warnt davor, dass all das auf dem Spiel stehe, wenn die Demokraten die Mehrheit im Kongress holen. Als er den Namen seines Konkurrenten erwähnt, buhen die Leute.

Auch Republikaner haben eine bunte Anhängerschaft 

Oben auf einer Empore sitzt Elisa Sharp und hört zu. Bei einzelnen Passagen von Cruz' Rede murmelt sie immer wieder zustimmend. Cruz höre auf die Menschen, sagt die 53 Jahre alte Yoga-Lehrerin. O'Rourke dagegen vertrete keine texanischen Werte. "Er will offene Grenzen", meint sie.

Sharp kam als Kind in die USA, ihre Familie stammt ursprünglich aus Mexiko. Sie sagt, sie sei stolz, Texanerin zu sein. Auf ihrem Kopf trägt sie eine Mütze mit der Aufschrift "Women for Trump" ("Frauen für Trump"). Sie lässt wirklich keinen Zweifel daran, dass sie für Cruz stimmen wird.

Auch Daniela Sanchez ist eine Unterstützerin des Republikaners. "Ich denke, dass er einen guten Job macht. Ich bin Venezolanerin und ich weiß, dass die andere Option keine gute Option ist", sagt die 32-Jährige. Mit der anderen Option meint sie die Demokraten. Trump und viele Republikaner verweisen im Wahlkampf immer wieder auf die prekären Verhältnisse im sozialistischen Venezuela, wenn sie vor der Politik der Demokraten warnen. Das wirkt schräg, wenn man bedenkt, dass die Partei in den USA nicht allzu viel mit Programmatik und Werten des Sozialismus gemein hat.

Vom "lügnerischen " zum "wunderschönen" Ted

Cruz nimmt sich bei seinem Auftritt an diesem Tag viel Zeit für seine Anhänger. Er posiert für Fotos, lächelt, schüttelt Hände, hört zu.

Der 47-Jährige hat ein Beliebtheitsproblem. Es gelinge ihm nicht, unabhängige und moderate Wähler anzusprechen, meint der Politikwissenschaftler Jay Aiyer. Außerdem sei die republikanische Partei in Texas eine Trump-orientierte Partei.

Trump und Cruz aber haben eine komplizierte Geschichte. Während des Vorwahlkampfes 2016 waren sie Konkurrenten, lieferten sich eine Schlammschlacht nach der anderen. Trump hatte sogar einen eigenen Spitznamen für Cruz, er nannte ihn den "lügnerischen Ted". Cruz weigerte sich, Trump beim Nominierungsparteitag der Republikaner seine Unterstützung auszusprechen.

Zwei Jahre später bemühen sich beide um Einigkeit. Trump hat einen neuen Namen für Cruz, am Montag nennt er ihn den "wunderschönen Ted". Der Präsident reist eigens nach Houston, um mit Cruz aufzutreten. Der Zeitpunkt ist wohl nicht zufällig gewählt, seit diesem Tag können die Texaner ihre Stimme abgeben.

Cruz sagt, er fühle sich geehrt, dass der Präsident mit ihm Wahlkampf mache. Trump umarmt ihn halb, ist voll des Lobes für den Senatoren. Niemand habe ihm im Senat mehr geholfen, sagt er. Dann spult er seine übliche Wahlkampfrede ab, lobt sich selbst, schimpft über die Demokraten.

O'Rourke ist währenddessen auf dem Weg nach San Marcos für einen Wahlkampfauftritt. Es geht um jede Stimme. Es sind noch zwei Wochen bis zur Wahl.

DPA
ivi/Maren Hennemuthi

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