Tony Blair Der Sunnyboy verliert seinen Glanz

Der Labour-Partei steht bei den Kommunalwahlen ein katastrophales Abschneiden bevor. Nach neun Jahren Blair und vielen politischen Pannen sehen Experten die Wahl eher als "Volksabstimmung" über die Zukunft ihres Premierministers.

Tony Blair, einst Europas Strahlemann, fällt das Lächeln vor den Kameras immer schwerer. Seiner Labour-Partei ist für Kommunalwahlen am (heutigen) Donnerstag ein Desaster vorausgesagt worden. Beschwörend rief der Premier dem Wahlvolk zu: "Neun Tage schlechter Schlagzeilen sollten nicht neun Jahre Errungenschaften verdüstern!" So lange ist er nun an der Macht. Doch Fehlleistungen in seinem Kabinett haben sich - durchaus nicht erst in den vergangenen neun Tagen - derart gehäuft, dass für Beobachter feststeht: Diese Wahl, obwohl es "nur" um Stadt- und Kreisräte in England geht, wird zur "Volksabstimmung über Tony Blair".

Skandal um straffällige Ausländer belastet die Wahl

Sollte Labour allzu deutlich verlieren, sagte BBC-Kommentator Nick Robinson, dürfte der Ruf nach dem Rücktritt Blairs unangenehm laut werden. "Selbst die eigenen Leute könnten ihm sagen: Neun Jahre Blair sind mehr als genug." Vergeblich verweist der Premier auf eine im europäischen Vergleich durchaus beachtliche Wirtschaftsentwicklung und eine mit rund fünf Prozent geringe Arbeitslosigkeit.

Skandale um mehrere seiner Kabinettsminister vermiesen die Bilanz - neben Krisen im Gesundheitswesen und im Rentensystem sowie dem Chaos im Irak mit mehr als 100 getöteten britischen Soldaten. Am meisten erregt die Briten derzeit, dass mehr als 1000 ausländische Kriminelle nach ihren Haftstrafen nicht abgeschoben wurden, sondern durch Behördenschlamperei im Lande bleiben konnten. Rufe nach dem Rauswurf von Innenminister Charles Clarke wurden immer lauter. Mehrere der kriminellen Ausländer, so zeigte sich, haben erneut Straftaten begangen. Unter ihnen ein Somalier, der mutmaßlich an der Ermordung einer Polizistin beteiligt war und untergetaucht ist.

Minister tappen von einer Panne in die nächste

Blairs Gesundheitsministerin Patricia Hewitt gilt nach unsensiblen Äußerungen vor Krankenschwestern als gefühlskalte Hauptschuldige an der Krise des Gesundheitswesens. Und sein Vize-Premier John Prescott gab kurz vor der Wahl eine von der Boulevardpresse ausgeschlachtete Sexaffäre mit seiner Sekretärin zu. Prescott habe sich "der schlimmsten Art des Machtmissbrauchs schuldig gemacht", befand Geraldine Smith - eine Abgeordnete der Labour-Partei.

Insgesamt habe die Regierung - so stellte selbst die Labour- freundliche Zeitung "The Guardian" fest - bereits mit sieben angeschlagenen Ministern Probleme gehabt. Manche mussten gehen, damit der Druck von Blair wich. Auch diesmal stehe, gleich nach den Wahlen, eine Regierungsumbildung bevor, sagen Labour-Leute in einem Versuch, die Lage zu entschärfen. Zu spät, sagen die meisten Kommentatoren. "Mehr Munition konnte Labour der Opposition nicht liefern", sagte ein BBC-Reporter sarkastisch.

Geringere Wahlbeteiligung erwartet

"Ich wäre sehr erstaunt, wenn die Ereignisse der letzten Zeit ohne Wirkung blieben", erklärte der Experte für Kommunalpolitik der renommierten London School of Economics, Tony Travers. Viele Labour- Sympathisanten würden aus Verdrossenheit einen Bogen um die Wahllokale machen. Davon dürften nicht nur die beiden bürgerlichen Oppositionsparteien, die Tories und die Liberaldemokraten, profitieren. Die rechtsradikale Britische Nationalpartei (BNP) kann nach Umfragen mit mehr Mandaten als je zuvor rechnen.

In der nordenglischen Stadt Dewsbury, wo es seit Jahren vor ethnisch-religiösen Spannungen nur so knistert, hat die BNP allerdings "tote Wahlhelfer", für die niemand Blair verantwortlich macht: Von dort stammten Mohammed Sidique Khan und die drei anderen Selbstmordattentäter, die am 7. Juli in London 52 Menschen mit sich in den Tod rissen. Seitdem haben die Radikalen in Dewsbury mit ausländerfeindlichen Parolen noch deutlich mehr Zulauf bekommen.

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Thomas Burmeister/DPA