Präsident George W. Bush hatte die Amerikaner von Anfang an gewarnt: Der Krieg könne länger dauern und härter sein als Optimisten erwarteten. Trotzdem war es ein Schock, als Aufnahmen des irakischen Fernsehens von getöteten, verletzten und angeblich gefangenen US-Soldaten auch im US-Sender CBS zu sehen waren. Sichtlich beunruhigt forderten Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Bush den Irak auf, Gefangene human zu behandeln. Offiziell räumten die USA nur ein, dass 12 Soldaten vermisst werden.
"Man kann es überleben"
Urplötzlich wurde nach den Aufnahmen von den pausenlosen Bombenangriffen und der Gefangennahme hunderter Iraker die "andere Seite" des Krieges sichtbar. Die Regeln der Genfer Konvention, nach denen die Kriegsgefangenen jederzeit menschlich zu behandeln sind, rückten neben den Fortschritten der Invasionstruppen in den Vordergrund der Kriegsberichterstattung. Im TV-Sender MSNBC wurde Oberleutnant Dale Storr über seine Erfahrungen als Gefangener der Iraker während des Golfkrieges 1991 befragt. Ein anderer Golfkriegs-Gefangener, Jeffrey Zaun, sagte lakonisch: "Man kann es überleben."
Dass die verstörenden Bilder die Unterstützung der amerikanischen Bevölkerung für den Krieg beeinträchtigen könnten, war unverkennbar eine Sorge der Verantwortlichen. Sie forderten das Fernsehen auf, sie nicht noch einmal auszustrahlen. Generalleutnant John Abizaid vom US- Zentralkommando in Doha (Katar) versicherte auf eine Frage zwar, dass die Moral der Truppen und der Amerikaner daheim davon nicht geschwächt würde. "Wir sind ziemlich harte Leute."
Aber gleichzeitig griff Abizaid den arabischen Sender El Dschasira scharf an, weil er die Bilder zeigte. "Das ist widerwärtig und völlig inakzeptabel." Dieser Appell verhallte im Internet zumindest beim "Drudge Report" ungehört. Er präsentierte Fotos, wenngleich auch nicht die vollständigen Videos, der Szenen.
Wagnis "Express-Krieg"
Verteidigungsminister Rumsfeld verwies darauf, dass die Aufnahmen Teil der irakischen Propaganda seien und allein das Zeigen gegen die Genfer Konvention verstoße. Die Strategie der Amerikaner werde sich deswegen nicht ändern. "Oh nein, der Plan wird vorangetrieben." Ein paar Bilder ungewisser Herkunft könnten sich nicht auf die US- Streitkräfte auswirken.
Militärische Experten hatten schon vor dem Zwischenfall darauf hingewiesen, dass die USA mit ihrem "Express-Krieg" ein Wagnis eingingen. Statt eroberte Gebiete gründlich zu sichern, setzten sie den Vormarsch im Eiltempo fort. Selbst die wichtigsten Nachschublinien seien nicht völlig sicher. Die vermissten und mutmaßlich getöteten oder gefangenen GI’s gehörten tatsächlich einer nachrückenden Versorgungseinheit an.
Abizaid glaubt dagegen nicht an eine Schwäche der Strategie, sondern einen verhängnisvollen menschlichen Fehler. "Ich halte es für möglich, dass wie bei vielen anderen tragischen Vorkommnissen im Krieg ein junger Offizier falsch abgebogen ist und seinen Konvoi irgendwohin geführt hat, wo er nicht hin sollte. Es waren keine Kampftruppen in der Nähe, als es passierte."