Unruhen in Frankreich Aufstand der Ausgegrenzten

Drei Wochen lang randalierten Jugendliche in den Vorstädten Frankreichs und lieferten sich heftige Straßenschlachten mit der Polizei. Damit wurden die sozialen Probleme der arabischen und farbigen Einwanderfamilien zum öffentlichen Thema.

"Das ist Krieg hier, das ist Bagdad", beschrieb ein Polizist die Unruhen, die Nacht für Nacht in einigen Pariser Vorstädten ausbrachen. Jugendliche zündeten Autos und Container an und errichteten Straßensperren. Sie attackierten Polizisten mit Steinen und Molotow-Cocktails. Die Polizei reagierte mit Tränengas und Gummigeschossen.

Auslöser der Unruhen war der Tod zweier 15- und 17-jähriger Jugendlicher in der Pariser Vorstadt Clichy-sous-Bois Ende Oktober. Sie fühlten sich auf ihrem Weg nach Hause von der Polizei verfolgt und hatten sich in einem Transformatorhäuschen versteckt, wo sie einen tödlichen Stromschlag erlitten. Ein dritter Jugendlicher überlebte mit schweren Verbrennungen. Schnell verbreitete sich das Gerücht, die Polizei hätte sie gejagt - und wäre damit verantwortlich für ihren Tod. Nach Ausbruch der Unruhen heizte Innenminister Nicolas Sarkozy die Stimmung zusätzlich an: "Wir sind dafür da, dieses Krebsgeschwür auszumerzen, wir werden uns dieses Gesindels entledigen." Der Vorsitzende der oppositionellen Sozialisten, Francois Hollande, forderte daraufhin: "Null Toleranz für Sarkozy."

Als die Unruhen nicht abebbten und sich sogar auf andere französische Städte ausweiteten, reagierte die Regierung unter Ministerpräsident Dominique de Villepin. Am neunten November rief die französische Regierung den Notstand aus. Sie reaktivierte damit ein Gesetz von 1955, dass während des Algerienkrieges beschlossen worden war. Gemeinden und Städte konnten jetzt eine Ausgangssperre verhängen, was in einigen Fällen auch geschah. Zusätzlich beschloss die Regierung, 5000 Stellen für Lehrer und Pädagogen zu schaffen und 100 Millionen Euro für soziale Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Dieses Geld war von der Vorgängerregierung gestrichen worden. Vor dem Parlament räumte de Villepin ein, dass es in Frankreich Rassendiskriminierung gebe.

Am 17. November erklärte die französische Polizei die Unruhen für beendet. In der Nacht zuvor waren 98 Fahrzeuge in Brand gesteckt worden. Das entspräche dem "nationalen Durchschnitt einer normalen Nacht". Ingesamt wurden in den 21 Krawallnächten Dutzende öffentliche Gebäude, Schulen, Sporthallen und Geschäfte sowie 9071 Autos in Brand gesteckt.