Premierminister Dominique de Villepin sprach im Parlament von einem "Augenblick der Wahrheit" für die Republik und kündigte die Schaffung von 5.000 Stellen für pädagogische Berater in Schulen in Problemvierteln ab Januar 2006 an. Darüber hinaus würden 100 Millionen Euro freigegeben, die an Einrichtungen fließen sollen, die dort Sozialarbeit leisten. Die Summe war von der Vorgängerregierung auf Eis gelegt worden.
Außerdem räumte Villepin ein, dass in es Frankreich Rassendiskriminierung gebe. Arbeitssuchende mit fremd klingenden Namen erhielten bei Bewerbungen zuweilen nicht dieselben Chancen wie solche mit traditionellen französischen Namen. "Die Wiederherstellung der Ordnung wird aber Zeit brauchen", ein "langer Atem" sei notwendig, sagte er. Frankreichs Integrationsmodell stehe auf dem Spiel.
Zuvor hatte das konservative Kabinett ein Notstandgesetz von 1955 wieder in Kraft gesetzt, nach dem von Mitternacht an über soziale Problemviertel Ausgehverbote verhängt werden können. Präsident Jacques Chirac erklärte, dass die zunächst für zwölf Tage geltenden Notstandsmaßnahmen die Rückkehr zu Ruhe und Ordnung beschleunigen sollen. Die Regierung will die gesetzliche Grundlage dafür schaffen, dass die Ausgangssperren über diese Zeit hinaus verlängert werden können, "sofern die Umstände dieses erfordern".
"Maßvolle Anwendung" der Ausgehsperren
Knapp 1200 Autos gingen in der Nacht zum Dienstag in Flammen auf, wobei der Schwerpunkt sich deutlich vom Pariser Umland auf andere Städte im ganzen Land verlagerte. Die sozialistische Opposition reagierte verhalten kritisch. "Uns fehlt eine soziale Dimension und eine Botschaft an die Bewohner der sozialen Randviertel", sagte Sozialistenchef François Hollande. Die Grünen nannten den Notstand "völlig überzogen", die Regierungspartei UMP äußerte uneingeschränkte Zustimmung zu den Ausgangssperren, die Innenminister Nicolas Sarkozy am Nachmittag zusammen mit regionalen Staatsvertretern vorbereitete. Der Minister kündigte eine "maßvolle Anwendung" des Ausgehverbots an.
Die Präfekten, die Vertreter der Pariser Zentralregierung, entscheiden, in welchen Vierteln der Trabantenstädte die Gefahr neuer schwerer Unruhen diesen außergewöhnlichen Schritt notwendig macht.
Sarkozy kündigte außerdem an, dass bei dem Verdacht auf versteckte Waffen Hausdurchsuchungen "Tag und Nacht" auch ohne richterliche Anordnung stattfinden könnten. Die 8000 im Einsatz befindlichen Polizisten werden um 1500 Mann verstärkt. Von Januar 2006 an kann Sarkozy 2000 zusätzliche Beamte für die Problemviertel einstellen. Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie sagte wegen der Ereignisse eine Reise nach Australien und Neukaledonien ab.
Seit Beginn 1500 Randerlierer festgenommen
Die 1200 Autos wurden überwiegend in Einwanderervierteln außerhalb der Pariser Region angezündet. In der Nacht zuvor waren es 200 mehr gewesen. 330 Verdächtige seien festgenommen worden, hieß es in der Bilanz der Polizei. Zwölf Polizisten wurden leicht verletzt, die meisten durch Steinwürfe. In der Nacht zuvor waren es 34 gewesen. Seit dem Beginn der Unruhen am 27. Oktober wurden 1550 Randalierer in Haft genommen, fast 1300 davon allein seit vergangenem Freitagabend.
Erneut wurden öffentliche Gebäude wie Schulen und Arbeitsämter mit Brandsätzen attackiert. In Toulouse entführten vermummte Jugendliche einen Bus und zündeten ihn an. Einem jugendlichen Steinewerfer wurde dort eine Hand abgerissen, als er eine von der Polizei geworfene Tränengasgranate zurückwerfen wollte. Auch in Bordeaux, Bayonne, Avignon, Nantes und Brest brannten Fahrzeuge und Müllcontainer.
Der Bürgermeister der mehr als 100 Kilometer südlich von Paris gelegenen Stadt Orléans verhängte bereits am Dienstag eine Ausgangssperre für Minderjährige unter 16 Jahren, die von Dienstagabend 21.00 Uhr bis 06.00 Uhr gelten sollte. Allerdings beruhte seine Entscheidung auf Befugnissen des Bürgermeisters bei ungewöhnlichen Ereignissen und noch nicht auf der Notstandsregelung.