US-Vorwahl South Carolina "Ja, wir können es schaffen"

  • von Katja Gloger
Ein grandioser Sieg in South Carolina, doppelt so viele Stimmen wie Hillary Clinton; Stimmen von Erstwählern, aber auch von weißen Wählern: Bisher hat Barack Obama die Erwartungen übertroffen. Aber nie zuvor hatte er es mit Bill und Hillary Clinton zu tun: Das Duo wird um den Sieg kämpfen - mit allen Mitteln.

Es war ein schwer erarbeiteter Sieg, ein Triumph. Es war der Beweis: Iowa, sein erster Sieg vor drei Wochen, war doch mehr als ein glücklicher Zufall. Gestern Abend stand Barack Obama vor seinen Wählern in South Carolinas Hauptstadt Columbia, er war ruhig und ernsthaft und er hielt eine Rede, die von verzückten TV-Kommentatoren gleich als "historisch" eingestuft wurde. Es war ein historischer Moment. Aber eben nur ein Moment.

Da stand ein junger Mann, versammelt und ernst und fest entschlossen, und er sprach zu einer Nation, die sich nach Einheit und Heilung sehnt. "Ja, wir können es schaffen. Wir haben eine überaus verschiedenartige Koalition. Wir haben Alt und Jung und Schwarz und Weiß und Republikaner. Und wir wollen mehr als einen Parteienwechsel im Weißen Haus. Wir wollen eine fundamentale Veränderung in unserem Land."

Ein Kandidat wurde erwachsen

Kein einziges Mal nannte er Hillary Clinton bei Namen. Und doch war klar, wen er meinte, als er von denen sprach, die ihre Gegner "dämonisieren", nur um zu gewinnen. Von denen, die "rücksichtslos" alles sagen, alles tun, nur um zu gewinnen. "Echte Führungskraft zeigt sich durch Aufrichtigkeit und Urteilsvermögen. Nicht durch Nähe zum Weißen Haus. Und es geht nicht um Schwarze gegen Weiße oder gegen Latinos oder Arm gegen Reich oder um Religion. In dieser Wahl tritt die Vergangenheit gegen die Zukunft an."

Und seine Fans riefen, zaghaft erst, aber dann immer lauter: "USA! USA! USA!"

Ein Kandidat ist erwachsen geworden.

Es war eine harte Woche für den Kandidaten Barack Obama, vielleicht die bislang schwerste seines Wahlkampfes. Es war ein Vorgeschmack auf die kommenden zehn Tage - denn jetzt geht es um das gesamte Land. In zehn Tagen schon, am 5. Februar, geht es um 1600 Delegierte für den Wahlparteitag im Sommer.

Atemholen vor der Wahlschlacht

Am vergangenen Freitagmorgen war es noch, als ob er sich eine kleine Pause gönnen wollte, ein letztes Atemholen auch vor dem 5. Februar, der großen, möglicherweise entscheidenden Wahlschlacht. In den nächsten Tagen wird er durch Dutzende Bundesstaaten hasten, auf einer Wirbelwindtour durch die Wahlbezirke in 22 Bundesstaaten, seine Termine sind im Halbstundentakt abzuhaken. Am vergangenen Freitagvormittag waren vier Frauen eingeladen, um mit Barack Obama über ihre Probleme zu diskutieren, über ihr Leben, die Zukunft, Amerika.

Der Tisch hochglanzpoliert, hinter roten Absperrkordeln lauerten Dutzende Reporter an ihren Lap Tops, allzeit bereit, jede auch noch so kleine Regung des Kandidaten in die Welt hämmern; dazu so viele Kameraleute mit ihren Lampen, dass es eine Weile zum kompletten Stromausfall kam. Veranstaltungen dieser Art seien ihm am liebsten, sagte der Kandidat, ein ganz normales Gespräch, er dürfe zuhören. Er nahm sich eine knappe Stunde Zeit, nippte am Wasserglas, man sprach über die bekannten Probleme - die Häuserkrise, die Bildungsmisere, das marode Gesundheitswesen. Barack Obama hörte aufmerksam zu, das Gesicht in die Hände gestützt, lieferte seine bekannten Antworten, dann machte man ein Foto und dann war es vorbei.

"Frauen tragen die größeren Lasten"

Es war dabei natürlich kein Zufall, dass es sich um ein Gespräch mit Wählerinnen handelte. Ebenso wenig Zufall, dass es sich um Frauen weißer Hautfarbe handelte. Sie sind die Wählergruppe, die Hillary Clinton bislang zu ihren Vorwahl-Siegen verhalf. "Natürlich sollten Männer die gleiche Bürde tragen wie Frauen", charmierte er. " Aber lassen Sie uns ehrlich sein: Frauen tragen die größeren Lasten. Warum ich das weiß? Meine Mutter war alleinerziehend. So wuchs ich auf."

In den Tagen zuvor hatte Barack Obama South Carolina mit seiner Botschaft der Veränderung überzogen. Auch hier hatten ihm wieder Tausende in überfüllten Sporthallen zugejubelt. In zwei Bundesstaaten hatte er in Folge gegen Hillary Clinton verloren, jetzt musste er South Carolina holen, den ersten Staat im für die Präsidentschaftswahlen so wichtigen konservativen Süden. Diese Runde hat er grandios gewonnen - doch schon dreht sich Spirale im erbarmungslosen Spiel der Erwartungen weiter, dem "expectation game". Musste er nicht mehr als haushoch gewinnen? Reichen 55 Prozent wirklich, ein donnernder Sieg? Hatte Hillary Clinton nicht kaum noch Wahlkampf in South Carolina betrieben? Den Wahlabend hatte sie sogar respektlos in einem anderen Bundesstaat verbracht und noch abends um Zehn ihre Wahlkampfrede gehalten. Gratulation? Eine Geste der Großzügigkeit? Drei Sekunden sprach sie über Obama. Sie tut einfach so, als müsse man einen wie ihn nicht zur Kenntnis nehmen.

Zum ersten Mal zeigte Obama Zähne

Fast vergessen wurde da: Noch im November hatte Hillary Clinton hier mit 20 Prozent vor Barack Obama gelegen - gestern verlor sie mit rund 30 Prozent. Erste Meinungsumfragen nach der Wahl zeigen: Barack Obama konnte auch bei den weißen Wählern mit seiner Botschaft der Einigkeit punkten. Und weit mehr als die Hälfte trauen ihm zu, das Land zu einigen. Und noch eine Zahl: 48 Prozent der Befragten trauen Barack Obama zu, die Präsidentschaftswahl gegen die Republikaner zu gewinnen. 36 Prozent trauen dies Hillary Clinton zu.

Es war eine wichtige Woche im Leben des Wahlkämpfers Barack Obama, eine entscheidende vielleicht gar. Zum ersten Mal zeigte er Zähne. Musste beweisen, dass er kämpfen kann und nicht nur elegant-cool über Allen und Allem schwebt. Dass er, der in seinem Politiker-Leben bislang nur eine größere Niederlage einstecken musste, den Angriffen seiner Gegner gewachsen ist. Und dieser Gegner heißt: Bill und Hillary Clinton.

Die Clintons hatten auf Angriff geschaltet

Die Clintons wissen, dass dieser Kandidat mehr ist als ein Strohfeuer, mehr als eine jugendliche Begeisterung, mehr als ein Liebling der Medien. Denn er spricht Wähler an, die sie nicht erreichen - jenseits der Parteigrenzen, Wechselwähler, Erstwähler, enttäuschte Republikaner. Also hatte das Clinton-Duo auf Angriff geschaltet. Und so tourte Bill Clinton im Namen seiner abwesenden Frau durch den Bundesstaat, ganz Wahlkämpfer von früher, kein Städtchen schien ihm klein genug für einen Auftritt, und manchmal wusste man gar nicht so genau, ob er nun kandidierte oder Gattin Hillary. Bitterböse sprach er von einem "hit job", von einem regelrechten politischen "Attentatsversuch" Obamas auf ihn. Was genau er damit meinte, blieb sein Geheimnis. Doch er nutzte die Gelegenheit, eine Breitseite auf die Presse zu feuern, die angeblich zu freundlich mit diesem Obama umgehe: "Shame on you!" zürnte er, scheinbar vollkommen empört. "Sie sollten sich was schämen."

Und ließ, gleichsam nebenbei, fallen: Ja, seine Frau könne in South Carolina verlieren. Und zwar wegen der Rassenfrage. Als ob er, Barack Obama, in Wahrheit doch nur der Kandidat der Schwarzen sei. Nicht wählbar für die - weiße - Mehrheit. Wieder hatte er die Rassenkarte gezückt, mit gefährlichen, althergebrachten Vorurteilen gezündelt. Damit konnten die Clintons in South Carolina nicht gewinnen. Aber es ging ihnen ja gar nicht mehr um South Carolina - längst geht es ihnen um Super-Tuesday, um die Vorwahlen in den 20 anderen Bundesstaaten. Sie wollen die wichtige Wählergruppe der Latinos holen, die angeblich eher den Teufel als einen Schwarzen wählen würden. Und die Umfragen geben den Clinton-Strategen bislang recht: bei den Weißen im Land liegt Hillary Clinton im Moment immer noch weit vorn, mit rund 30 Prozent vor Obama.

Keiner durfte die Hautfarbe thematisieren

Obama wehrte sich in einer Fernsehdebatte, zum ersten Mal griff er Hillary Clinton persönlich an, "ich musste schließlich die Wahrheit gerade rücken", sagte er später. "Und außerdem ist es eine gute Übung für den Wahlkampf gegen die Republikaner." Kampfeslustig erwiderte sie: "Wir fangen ja gerade erst an." Und das war nicht scherzhaft gemeint. In bitterbösen Radiospots beschuldigten sich die Kandidaten gegenseitig der Unwahrheit. "Sie würde alles sagen, um zu gewinnen", hieß in Obamas Werbespot; "er vertritt Ronald Reagans Ideen" in ihrem.

Endlich hatten die Clintons den bislang so strahlend-inspirierenden Saubermann Barack Obama da, wo sie ihn haben wollten: in den Niederungen des politischen Kampfgetümmels, der Halbwahrheiten, der Manipulation mit Hilfe von Vorurteilen. Obamas Drogenkonsum, die Gerüchte, er sei ein verkappter Moslem, seine Hautfarbe.

Besorgt hatten sich vergangene Woche die Granden der demokratischen Partei eingeschaltete, selbst Senator Edward Kennedy rief seinen Freund Bill Clinton an und bat um Mäßigung. Die Partei nehme Schaden, die Demokraten sollten schließlich später, im Kampf gegen die Republikaner, einig hinter ihrer Kandidatin - oder ihrem Kandidaten - stehen. Und keinesfalls dürfe man Hautfarbe zum Thema machen. Doch wie hatte Bill Clinton einst, als er gerade zum Präsidenten gewählt worden war, mit seinem berühmten entwaffnenden Lächeln auf Kritik an seinem Wahlkampf mit Halbwahrheiten geantwortet? "Man muss eben tun, was man tun muss."

Obama setzt auf die Dynamik der Begeisterung

Mehr denn je setzt Hillary Clinton jetzt auf Siege in den großen Bundesstaaten Kalifornien, New Jersey und in New York, ihrem Heimatstaat. Allein aus den drei großen Bundesstaaten werden knapp 1000 Delegierte kommen. Für wen sie stimmen werden, richtet sich nach dem prozentualen Abschneiden der Kandidaten in jedem einzelnen Wahlbezirk. Und bislang hatte Hillary Clinton dabei wichtige Vorteile: über Jahre hat sie die Vertreter der demokratischen Partei vor Ort unterstützt, hat ein enges Netz aus Freundschaften und Loyalitäten geknüpft. Abgeordnete, Senatoren vor Ort unterstützen sie, organisieren Wählerstimmen vor Ort, werden dafür mit ebenso üblichen wie satten "Beratungshonoraren" bezahlt. In South Carolina etwa war es der legendäre Senator, Priester und Besitzer einer Werbeagentur Darell Jackson. Er habe im Frühjahr ein Angebot aus dem Obama-Lager abgelehnt, für 5000 Dollar im Monat Wählerstimmen zu organisieren, berichtete das Wall Street Journal berichtete. Clintons Strategen zahlten ihm bislang mehr als 130.000 Dollar.

Newcomer Obama musste von Anfang an auf eine andere Strategie setzen, denn er musste sich eine Basis suchen: "Graswurzel". Er setzt auf eine Bewegung, auf die Organisation von unten, die Dynamik der Begeisterung. Eine Begeisterung, die ihn zum Sieg führen und das Land verändern soll. Mit dieser Bewegung holte er South Carolina. Diese Bewegung hat er in 22 weiteren Bundesstaaten aufgebaut. Sie soll ihm helfen, nun innerhalb weniger Tage landesweit den Bekanntheitsgrad erreichen, den Hillary Clinton schon lange hat. Und so will er Delegierte sammeln, in jedem Wahlbezirk, in jedem Bundesstaat, selbst in New York, der Basis von Hillary Clinton. Eine Stimme mag ihm dabei helfen: Caroline Kennedy, die sonst so zurückhaltende Tochter von Präsident John F. Kennedy, sie war sechs Jahre alt, als ihr Vater ermordet wurde. An diesem Sonntag veröffentlichte sie eine Eloge auf Barack Obama in der New York Times: "Ich hatte nie einen Präsidenten, der Menschen so inspirierte, wie es mein Vater tat. Doch ich glaube, dass ich zum ersten Mal den Mann getroffen habe, der dieser Präsident sein könnte - nicht nur für mich, sondern für eine neue Generation Amerikaner."

Bislang hat Barack Hussein Obama immer noch alle Erwartungen übertroffen. Aber wahr ist auch: niemals zuvor hatte er es mit Bill und Hillary Clinton zu tun. Diesen Sieg wollen sie sich nicht nehmen lassen. Auch Bill und Hillary Clinton werden um ihre Zukunft kämpfen. Mit allen Mitteln.