Was wäre, wenn die US-Wahl richtig knapp ausgehen würde? Eine einzige Stimme darüber entscheidet, wer gewinnt und wer verliert? Eine einzige Stimme, die dem Demokraten Barack Obama fehlen würde zum Einzug ins Weiße Haus. Nur eine unrealistische Vorstellung, ein Albtraum für das demokratische Lager in den USA?
Die demokratische Graswurzel-Bewegung moveon.org hat dieses Szenario nun Wirklichkeit werden lassen, zumindest virtuell in einem kleinen Internet-Spot. Darin verkündet ein Nachrichtenmoderator die schockierende Meldung am Tag nach der Wahl: "Wahlen sind immer knapp, aber die Nation war erschüttert am Dienstagabend, als John McCain Barack Obama besiegte…mit nur einer Stimme." Und dann, die Enthüllung: Die "New York Times" habe den Wähler identifiziert, der für die Wahlniederlage von Obama verantwortlich ist. Der Name kommt einem irgendwie bekannt vor. Ist das nicht…?
Das persönliche Wahlkampfvideo
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Der Clou des kleinen Videos ist, dass jeder zum Wahlentscheider und Buhmann der Demokraten werden kann. Es ist ganz einfach: Auf der Website der linken Internet-Plattform moveon.org muss man lediglich Name und Mailadresse eingeben und schon wird das Video an Freunde und Kollegen verschickt. Und die dürften nicht schlecht staunen, dass sie plötzlich als entscheidender "Nicht-Wähler" entlarvt werden. Ihr Name erscheint in dem Video auf der angeblichen Titelseite der "New York Times", aufgebrachte Obama-Wähler lassen ihrer Wut über den Wahlverweigerer freien Lauf. Der Nicht-Wähler heißt zum Beispiel Max Mustermann, im Video wird er Max M. genannt. Das Video ist zwar humoristisch zu nehmen, doch frei von jedem Ernst ist es nicht. Moveon.org will damit noch unentschlossene Wähler in den USA wachrütteln und darauf hinweisen, dass es auf jede Stimme bei der Präsidentschaftswahl am 4. November ankommen kann. Auf der Website der Organisation wird mitgezählt, wie viele Videos schon verschickt wurden. Über sieben Millionen bislang.
Moveon.org ist keine unbekannte Größe bei Wahlen in den USA. Joan Blades und Wes Boys, zwei Silicon Valley-Unternehmer, gründeten 1998 die Organisation. Aus Frust über den heftigen Parteienstreit in Washington während des Lewinsky-Skandals von Ex-Präsident Bill Clinton und des anschließenden Amtsenthebungsverfahrens im Kongress. Statt sich mit dem Liebestreiben im Weißen Haus auseinanderzusetzen, forderten sie damals "endlich weiterzugehen" - move on, und sich den wirklich drängenden Fragen zu widmen. Mit ihrer Organisation wollen sie liberalen Wählern eine Stimme geben, Druck auf Politiker in Washington ausüben und vor allem die Kandidaten der Demokraten bei Wahlen unterstützen.
Mittlerweile zählt moveon.org zu den einflussreichsten politischen Wahlkampfkomitees in den USA. Laut eigenen Angaben kämpfen sie gegen die weitere Berufung konservativer Richter ins amerikanische Verfassungsgericht. Sie unterstützen eine Reform der Wahlkampffinanzierung, eine Reduzierung der amerikanischen Abhängigkeit vom Öl und sprechen sich für einen schnellen Truppenabzug aus dem Irak aus. Doch für 2008 haben sie wohl nur ein Ziel: Obama zum Präsidenten zu machen und den Demokraten zur Mehrheit im Kongress zu verhelfen. Mit ihrem Video könnten sie dazu vielleicht einen kleinen Beitrag leisten.