Wahlen in Iran Warnung vor einer Despotie

Der Sieg der Konservativen bei den Parlamentswahlen in Iran scheint festzustehen: zahlreiche Reformkandidaten wurden ausgeschlossen. Die Bevölkerung ist desillusioniert und zeigt wenig Interesse.

Die Parlamentswahl in Iran ist am Freitag zur Machtprobe zwischen den Reformbewegung und der konservativen islamischen Geistlichkeit geworden. Entscheidend für das Kräftemessen wird die Wahlbeteiligung sein. Während die liberalen Kräfte die Bevölkerung nach dem Ausschluss tausender Kandidaten zum Boykott der Abstimmung aufgerufen hatten, erklärte der Klerus die Teilnahme an der Wahl zur moralischen Pflicht.

Der als gemäßigt geltende Präsident Mohammad Chatami, der als Gegenspieler des geistlichen Religionsführers Chameneis gilt, hat angesichts der Maßnahmen der Erzkonservativen vor der Gefahr einer Despotie im Iran gewarnt. Nach der Wahl 2000 hielten die Reformer 200 der 290 Parlamentssitze. Damals hatte Chatami umfangreiche Reformen angekündigt, die er jedoch gegen die konservative Geistlichkeit nicht durchsetzen konnte. Wahlforscher erwarten daher besonders in den großen Städten - den Hochburgen der Reformer - eine geringe Wahlbeteiligung, die den Konservativen zu Gute kommen würde. Mehrere Reformer haben zum Boykott aufgerufen.

Wählen ist moralische Pflicht

Der oberste politische und geistliche Führer Irans, Ayatollah Ali Chamenei, gab eine halbe Stunde nach Öffnung der Wahllokale um 08.30 Uhr (Ortszeit, 05.30 Uhr MEZ) seine Stimme ab und erklärte: "Ich denke, diese Wahl ist wichtiger als die vorangegangenen, weil die Konterrevolutionäre versuchen, die Menschen von der Wahl abzuhalten." Und Ayatollah Ali Meschkini, der Vorsitzende des Expertenrats, des höchsten Gremiums der schiitischen Geistlichkeit, sagte, die Notwendigkeit wählen zu gehen sei so klar wie die Sonne. "Jeder, der seine Pflicht auch nur ansatzweise nicht erfüllt, wird sich vor Gott verantworten müssen, in diesem Leben und im nächsten."

Reformpolitiker hatten die 46 Millionen Wahlberechtigten zu einem Boykott der Abstimmung aufgerufen. Sie hoffen, dass die Wahlbeteiligung in ihren Hochburgen, vor allem den Großstädten, gegenüber der letzten Abstimmung um wenigstens die Hälfte zurückgeht. Für sie wäre dies ein Zeichen öffentlicher Unterstützung.

Beide Seiten bemühten sich nach Kräften, ihre Anhänger zu mobilisieren. Die Reformer nutzten E-Mails, Web-Sites und Handy-Kurznachrichten, um die Bevölkerung zum Boykott aufzurufen. Ähnlich gingen die Konservativen vor. Erste Berichte zum Abstimmungsverhalten ließen keinen klaren Trend erkennen. Während einige Wahllokale in Teheran praktisch verwaist waren, wurde aus eher ländlichen Gebieten über einen stetigen Strom von Wählern berichtet.

In den letzten vier Jahren nichts bewirkt

Um die 290 Sitze bewarben sich fast nur noch konservative Kandidaten, nachdem mehr als 2.400 liberale Bewerber von der Wahl ausgeschlossen worden waren und weitere aus Protest ihren Rückzug erklärt hatten. Klar ist auch, dass die konservativen Hardliner nach ihrer deutlichen Niederlage gegen die Reformer vor vier Jahren nun die Mehrheit im Parlament zurückgewinnen werden. Die Reformer hatten damals zwar einen erdrutschartigen Sieg errungen, konnten in den vier Jahren danach aber nichts an der praktisch uneingeschränkten Macht der Konservativen ändern, da alle ihre Initiativen an den nicht gewählten und von Chamenei unterstützten Institutionen scheiterten.

Unmittelbar vor der Wahl hatte die konservative Justiz auch die beiden letzten großen Reformzeitungen verboten. "Jas-e-nu" und "Schark" durften bereits am Donnerstag nicht mehr erscheinen, nachdem sie Auszüge einer Erklärung von Reformpolitikern veröffentlicht hatten, die gegen den Ausschluss von mehr als 2.400 Kandidaten vor der Wahl protestierten und dabei Chamenei direkt kritisierten. Das Verbot der beiden reformorientierten Tageszeitungen wurde als Vorsorgemaßnahme betrachtet, um eine unangenehme Berichterstattung im Falle einer geringen Wahlbeteiligung zu verhindern.