Bürgerschaftswahlen in Bremen Jung, grün und trotzdem cool

Von Julius Leichsenring
In Bremen durften erstmals Jugendliche unter 18 Jahren an der Wahl teilnehmen. Nutznießer des Experiments waren vor allem die Grünen. Dagegen stehen CDU und SPD vor einem großen Problem.

Wir waren schon Biber-Fans, bevor es Justin gab", heißt es auf einem Wahlplakat der Grünen zur Landtagswahl in Bremen. Darunter ist ein Biber (das Tier) abgedruckt, der gemütlich im Gras hockt. Über 50-Jährige werden sich von der Anspielung auf den kanadischen Teeniesänger Justin Bieber, dessen Fans meist weiblich und knapp unter der Pubertätsgrenze sind, nicht angesprochen fühlen. Weil sie es einfach nicht verstehen.

Den Grünen ist das egal, denn es geht um eine andere Zielgruppe: die 16- und 17-Jährigen. Zum ersten Mal durften in Bremen bei den Landtagswahlen Jugendliche unter 18 Jahren ihre Stimme abgeben. Ein Novum in der deutschen Geschichte - auch wenn sie sich selbst nicht wählen lassen durften.

Gerade einmal 10.000 der 498.000 Wahlberechtigten im kleinsten Bundesland sind zwischen 16 und 17 Jahre alt. Kräftig umworben haben die Parteien sie dennoch: Mehrfach gingen die Spitzenkandidaten in die Schulen, um die Gunst der Erstwähler zu gewinnen.

SPD ist uncool

Gelungen ist das vor allem den Grünen: In einer Hochrechnung von Infratest/Dimap kommt die Partei unter den Jungwählern auf 32 Prozent. Damit läge sie deutlich vor der SPD, die voraussichtlich 28 Prozent erreicht.

"Früher hatten die Jugendlichen eine hohe Affinität zur SPD. Diesen Platz haben nun die Grünen übernommen", sagt Politikwissenschaftler Timo Grunden. Die Sozialdemokraten wären "uncool" geworden, weil keiner genau wüsste, "wofür sie stehen".

Die Grünen bedienten hingegen "postmaterialistische Werte", wie Menschrechte und Energiepolitik. "Diese Dinge haben bei den Jugendlichen einen höheren Stellenwert, als bei anderen Wählerschichten."

Konservativ kommt nicht an

Dass das nicht gerade das Steckenpferd der CDU ist, ist bekannt. Gerade beim Thema Bildung und Ausbildung hätte die Partei allerdings punkten können. Hat sie aber nicht. Gerade einmal zwölf Prozent der Jugendlichen unter 18 gaben der konservativen Partei ihre Stimme. Insgesamt erreichen die Christdemokraten 20,1 Prozent.

"Die CDU hat ein überdurchschnittlich großes Problem bei den jungen Menschen", sagt Politikexperte Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen. Weder das Personal, noch die Themen sprächen junge Wähler an. Da helfe auch nicht der forcierte Atomausstieg. Ganz im Gegenteil treibe dieser den Grünen die Erstwähler sogar noch zu. "Sie sind das Original - alle anderen die Kopie", sagt Korte.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Damit zeigt das Wahlverhalten der Jungwähler vor allem zwei Dinge: Erstens, das "Grüne"-Projekt ist generationsübergreifend. Zweitens: Die Volksparteien müssen sich endlich etwas einfallen lassen. Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit wird ein 16-Jähriger, der in diesem Jahr grün gewählt hat, bei der Bundestagswahl in zwei Jahren sein Kreuz nicht bei den Roten oder gar Schwarzen machen.

"Zwar ist bei den Jugendlichen die Identifikation mit den Parteien noch nicht so stark ausgeprägt", so der Parteienforscher Jan Treibel, darauf ausruhen sollten sich die Volksparteien aber nicht. "Neue Konzepte von Seiten der Volksparteien sind nötig." Jugendspezifische Themen, wie die Frage der Regulierung des Internets, müssten in den Fokus rücken und auch eine andere Ansprache gewählt werden. "Zur Not können sie auch von den Grünen abgucken", meint Treibel.

Kein Allheilmittel

Und noch etwas zeigt der Bremer Urnengang: Die Wahlbeteiligung ist durch die Teilnahme der 16- und 17-Jährigen nicht gestiegen. Vielmehr sank sie erneut - von 57,5 Prozent im Jahr 2007 auf 56,7 Prozent. "Die Jugendlichen konnten im Vergleich zu den anderen Altersgruppen nicht überdurchschnittlich mobilisiert werden", stellt Korte fest.

Damit sei auch die Forderung nach einer Absenkung des Wahlalters bei Landtags- und Bundestagswahlen, wie jüngst auch von der FDP in Erwägung gezogen, vom Tisch.

"Wer Wahlen als Aufputschmittel für Jugendliche betrachtet, verwechselt sie mit Coca Cola", sagte einst Wissenschaftler Gerd Roellecke. Soll heißen: Die Jugendlichen, die sich eh schon für Politik interessieren, gehen auch zur Wahl. Alle anderen haben Besseres zu tun.