Rechtsradikale So extrem ist die neue AfD-Fraktion im Bundestag

  • von Tom Kollmar
  • und Martin Schmidt
Der AfD-Abgeordnete Maximilian Krah
Der AfD-Abgeordnete Maximilian Krah am Dienstag im Bundestag
© Lisi Niesner / Reuters
Die neue Bundestagsfraktion der AfD konstituierte sich in Rekordtempo. Rechtsradikale wie Maximilian Krah und Matthias Helferich wurden fast geräuschlos integriert. 

Es war die erste Sitzung der neuen AfD-Bundestagsfraktion, und gleich gab es den ersten Skandal. Der neue Fraktionsvorstand musste gewählt werden, die Plätze dabei hart umkämpft. 2021 war das. Jedes Ergebnis der Kampfabstimmungen konnten die Abgeordneten nach nur wenigen Sekunden bei Twitter nachlesen.

Dreieinhalb Jahre später ist es wieder so weit. Und diesmal ist alles anders. 

Die neue AfD-Fraktion tritt Dienstagfrüh nach der Bundestagswahl zum ersten Mal zusammen. Sie ist deutlich größer als die alte, besteht aus152 Abgeordneten nach zuletzt 77. Die Mehrheit davon ist neu dabei. Eines ist spürbar, als die ersten Parlamentarier sich ihre Namensschilder und Unterlagen von den Fraktionsmitarbeitern holen: Hier kommt eine deutlich selbstbewusstere Truppe zusammen als noch zuvor. Und eine, die geschlossener zusammensteht als früher.

Dieses Mal tagen sie im Marie-Elisabeth-Lüders Haus auf der anderen Spree-Seite gegenüber dem Reichstag. Dass die Journalisten durch die große Glasfront des Saals wie damals bestens über die Abstimmungsergebnisse auf den Leinwänden informiert sind, stört niemanden. Im Gegenteil, alles wirkt, als würde man die Medien am liebsten gleich mit in die Fraktionssitzung holen: Seht her, wie harmonisch wir sind, wie gut vorbereitet. 

Die schillernde Figur des Maximilian Krah

„Wir sind erwachsen geworden“, verkünden die ersten Abgeordneten nach einer für AfD-Verhältnisse dann auch sehr kurzen ersten Sitzung. Nur gut zwei Stunden haben sie gebraucht, um den neuen Fraktionsvorstand zu wählen, der quasi der alte geblieben ist.

Dabei gab es im Vorfeld um zwei Abgeordnete durchaus Diskussionen, weil sie selbst für AfD-Verhältnisse zu extrem wirken: Maximilian Krah aus Sachsen und Matthias Helferich aus Nordrhein-Westfalen. Bei beiden schien es unklar, ob sie in die Fraktion aufgenommen würden.

Krah ist eine besonders schillernde Figur. Der promovierte Jurist war AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl 2024, manövrierte sich aber im Wahlkampf mit mehreren Skandalen ins Aus. Erst gab es Vorwürfe der Korruption aus dem Ausland, dann wurde einer seiner engsten Mitarbeiter im Büro in Brüssel als chinesischer Agent enttarnt und verhaftet. 

Zum Schluss relativierte er die Verbrechen der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg. Fast ging da noch unter, dass er auch den Feminismus als Krebs beschimpfte, Feministinnen als „grässlich und hässlich“. In die AfD-Delegation im Europaparlament durfte er am Ende nicht.

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In der AfD sind viele genervt von Krah

Heute sagt Krah, viele Vorwürfe hätten „sich in Luft aufgelöst“.  Es gebe immer Leute in der Politik, die einen ablehnen würden. „Aber: Die Nase passt mir nicht, ist kein politisches Argument“, so Krah. 

Alles vergeben und vergessen? Fraktionschefin Weidel gilt als entschiedene Gegnerin Krahs, sie musste hinter ihm die Scherben aufkehren. Hinzu kommt, dass ihr Co-Chef Tino Chrupalla wie Krah aus Sachsen kommt und kein Interesse an Konkurrenz um mögliche künftige Posten in seinem Bundesland hat. 

Überhaupt sind viele in der Partei seit langem genervt von Krahs polarisierendem und radikalem Auftreten in der Öffentlichkeit, vor allem auf Social Media. Jetzt gelobt er Zurückhaltung: „Ich bin ein einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn.“

Einige Fraktionsmitglieder können über die angekündigte Zurückhaltung nur den Kopf schütteln. Absolut unglaubwürdig sei dies, sagten sie, freilich ohne zitiert werden zu wollen. Immerhin: Krah konnte der Versuchung widerstehen, in der ersten Sitzung gleich nach einem der Posten in der ersten Reihe zu greifen, sich für den Fraktionsvorstand zu bewerben. „Mal sehen, wie lange er wirklich die Füße stillhalten wird“, raunen manche.

Das "freundliche Gesicht des NS"

Und dann wäre da noch Extremkandidat Nummer zwei: Matthias Helferich. Der AfD-Mann aus Dortmund geht in seine zweite Legislaturperiode im Bundestag. 2021 war er selbst einem Ausschluss zuvorgekommen und der Fraktion nicht beigetreten. Während der Legislatur scheiterte ein Antrag zur nachträglichen Aufnahme. 

Auch diesmal gab es Versuche, seine Fraktionsmitgliedschaft zu verhindern. Schon Montagabend traf sich die NRW-Landesgruppe, dort soll es nach Informationen von stern und ntv Versuche gegeben haben, Helferich auszuschließen. Der Versuch, der wohl von Vertrauten des Landesvorsitzenden Martin Vincentz ausging, misslang.

Am Morgen danach spielt sich Helferich als Opfer einer Intrige auf. „In der AfD spüre ich nie Rückenwind. Nur Messer“, raunte er. Auf Nachfrage, wer ihn bekämpfe, lacht Helferich laut auf: „Ich hatte schon so viele Parteiausschlussverfahren, ich kann damit meine Wohnung tapezieren.“ Auf die Frage, was sein Ziel in den kommenden Jahren in der Fraktion sei, antwortete Helferich mit nur einem Wort: „Überleben!“

Der AfD-Politiker ist vor allem wegen älteren Aussagen in Chatgruppen umstritten. Er hatte sich darin unter anderem als „freundliches Gesicht des NS“ bezeichnet. Helferich selbst sagt, er habe dort lediglich die Zuschreibung eines politischen Gegners wiedergeben und sich darüber lustig gemacht. 

Ein Freund des Volkstheaters

Noch läuft gegen Helferich ein Parteiausschlussverfahren, das die NRW-AfD im vergangenen Jahr angestrengt hatte. In einem Antrag an das Landesschiedsgericht der Partei hieß es damals, der Abgeordnete habe „die Außerlandesbringung von deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund und weiteren Personenkategorien unter Anwendung staatlicher Zwangsmittel als politische Zielsetzung artikuliert“. Dabei habe er die Betroffenen als „Viecher“ bezeichnet.

Doch erstmal hat die Fraktion nun entschieden, die beiden aufzunehmen. Es ist ein Spiel mit dem Feuer. 

Das wird auch deutlich, als Helferich auf Nachfrage doch noch ein inhaltliches Ziel einfällt: Er wolle in den Kulturausschuss, „rechte Kulturpolitik“ voranbringen, damit den angeblichen „linken Kulturkampf“ beantworten. „Volkstheater, schöne Architektur, die nicht verhässlicht“, so verstehe er das. 

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