Bundestagsrede AfD-Verteidigungsexperte hat mächtig Ärger wegen Kritik an Björn Höcke

Der AfD-Verteidigungsexperte Rüdiger Lucassen im Bundestag
"Was hätten wohl die Männer und Frauen der Befreiungskriege dazu gesagt?" – der AfD-Verteidigungsexperte Rüdiger Lucassen im Bundestag
© dts Nachrichtenagentur / Imago Images
Der AfD-Verteidigungspolitiker Rüdiger Lucassen hat Björn Höcke wegen dessen Haltung zur Wehrpflicht scharf angegriffen – dahinter steckt ein grundsätzlicher Konflikt.
 

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen hat sich Ärger in der eigenen Partei eingehandelt. Der Fraktionsvorstand um Alice Weidel und Tino Chrupalla hat gegen den Verteidigungsexperten ein Ordnungsverfahren eingeleitet. Anlass für die Disziplinarmaßnahme ist eine Rede Lucassens am 5. Dezember im Bundestag, in der er den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke wegen dessen Haltung zur Wehrpflicht scharf kritisiert hat.

"Der Thüringer Landesvorsitzende meiner eigenen Partei hielt am Mittwoch eine Rede", sagte Lucassen, der eine Wehrpflicht befürwortet. "In dieser Rede kommt er zu dem Schluss, dass Deutschland es nicht mehr wert sei, dafür zu kämpfen. Was hätten wohl die Männer und Frauen der Befreiungskriege dazu gesagt? Sie wären diesem Befund niemals gefolgt."

Höckes Leute in der AfD-Fraktion wachen über die Inhalte

In besagter Rede vor dem Thüringer Landtag hatte Höcke die Wehrpflicht für junge Deutsche mit den Worten abgelehnt: "Was soll der junge Mann mit einer Bundeswehr verteidigen, die keinen Patriotismus und keine Traditionen mehr kennt? Dragqueen-Auftritte in Kindergärten, (…) die Massenzuwanderung, (…) den Schuldstolz? Bevor auch nur ein einziger junger Mensch zwangsweise wieder in Uniform antreten soll, muss dieser Staat endlich wieder ein Staat für die Deutschen werden."

Lucassens Frontalangriff auf den starken Mann der Partei wird jetzt für ihn zum Problem. Höckes Leute sind zahlreich in der Bundestagsfraktion vertreten, ihr Einfluss ist groß. In der Fraktionssitzung am vergangenen Dienstag stellten Abgeordnete wie die Thüringer Torben Braga und Stefan Möller, Steffen Kotré aus Brandenburg und Udo Hemmelgarn aus Nordrhein-Westfalen einen Antrag, über die Rede Lucassens und die Kritik am eigenen Parteikollegen zu diskutieren.

Der Antrag scheiterte zwar mit großer Mehrheit, auch weil Alice Weidel ihn laut übereinstimmender Berichte ablehnte. Der Grund für die Ablehnung war offenbar, dass Weidel keine negative Presse vor Weihnachten wollte. Stattdessen wurde ein Ordnungsverfahren gegen Lucassen eingeleitet, weil seine Rede eine "absehbar erhebliche negative Presse ausgelöst" habe, wie es in einem Schreiben heißt. 

Welche Konsequenzen das Ordnungsverfahren hat, ist nicht geklärt. Erst soll sich Lucassen äußern. Als Sanktionen sind eine Rüge oder ein Redeverbot möglich.

Episode lässt tiefsitzenden Konflikt aufbrechen 

Der Fraktionsspitze versucht damit, den Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen. Eine inhaltliche Aussprache, wie von den Höcke-Leuten gewollt, hätte mehr Unruhe geschürt.

Der Konflikt ist brisant, weil er nur die jüngste Episode in einem lange schwelenden Streit innerhalb der AfD darstellt. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht steht zwar seit 2016 im Grundsatzprogramm der Partei, ist seitdem aber zugleich ein Streitpunkt. 

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Besonders die ostdeutschen Landesverbände lehnen eine Wehrpflicht ab. Sie inszenieren sich lieber mit Blick auf die russlandfreundliche Haltung vieler Ostdeutscher als eine Art rechte Friedenspartei. Im nächsten Jahr stehen unter anderem Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt an und man will die hohen Umfragewerte nicht gefährden. In westdeutschen Landesverbänden hingegen sieht man die AfD eher als Unterstützerin eines militärisch starken Deutschlands.

Quellen: "Tagesschau", "Spiegel", "Welt"

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