Gabriel zu US-Abhörpraktiken "Amerikaner zerstören Wertebasis"

Hauptsächlich sollten Sigmar Gabriel und Hans-Dietrich Genscher auf einem stern-Podium über Willy Brandt sprechen. Doch auch hier ging man mit den Abhörpraktiken der USA hart ins Gericht.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und der FDP-Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher haben bei einer Veranstaltung des stern in Hamburg die USA wegen des mutmaßlichen Angriffs auf die Handyverbindungen der Bundeskanzlerin attackiert. "Das ist unter befreundeten Regierungen eine Sauerei", sagte Gabriel bei einer Podiumsdiskussion anlässlich der Eröffnung einer stern -Fotoausstellung mit Bildern von Willy Brandt. Mit Blick auf die Praxis nicht nur der amerikanischen Regierung, sondern auch der großen US-Internetkonzerne sagte er: "Die Amerikaner zerstören die Wertebasis der transatlantischen Gemeinschaft." Der Umgang damit sei eine "europäische Herausforderung".

Gabriel sagte weiter, das zentrale Problem sei nicht das Abhören von Regierungen, sondern die umfassende Auswertung der Datenspuren von Millionen Menschen durch die Internetkonzerne und zum Teil auch durch staatliche Stellen. "Die Idee, dass ich den Menschen komplett durchleuchte, dient dazu, den Menschen perfekt zu verwerten." Es gehe darum, wie im digitalen Zeitalter die Freiheit geschützt werden könne. Er machte deutlich, dass ein möglicher Koalitionsvertrag mit der Union dazu klare Aussagen enthalten müsse. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass man einen schließt, ohne dass das drinsteht", sagte er.

Genscher: "Ich finde das unglaublich"

Der frühere Innen- und langjährige Außenminister Genscher sagte bei der gleichen Veranstaltung zum mutmaßlichen Abhören des Handys der Kanzlerin: "Ich finde das unglaublich." Unter verbündeten Staaten hätte er dies - jedenfalls nach dem Ende der Besatzungszeit - nicht für möglich gehalten. Er fragte: "Wenn das bei der Bundeskanzlerin so läuft, wie läuft das dann bei jedem von uns?" Jetzt müsse geklärt werden, wie weit die Verantwortungskette in den USA nach oben reiche. Auch er betonte, nun stünden die Europäer auf dem Prüfstand. Sie müssten reagieren.

Genscher und Gabriel diskutierten bei der neuen Veranstaltungsreihe "sternstunden" über den früheren Bundeskanzler Willy Brandt, dem der stern ein Sonderheft sowie eine Ausstellung mit Fotos bedeutender stern -Fotografen widmet. Brandt wäre im Dezember 100 Jahre alt geworden. Die Ausstellung "100 Jahre Willy Brandt – eine Hommage in Bildern" ist noch bis zum 17. November im Hamburger Verlagshaus von Gruner und Jahr zu sehen.

Stefan Schmitz