Was war nicht alles vorher in diesen Haushalt reingeraunt worden. Schicksalsfrage, Ding der Unmöglichkeit, Koalitionsbruch, drunter ging es nicht. Und immerhin: 23 Mal wollen sich die drei Chefunterhändler der Koalition, Kanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck, getroffen haben, um die Einigung zustande zu bringen – der Finanzminister führte offenbar eine Strichliste. Und er notierte sich auch, dass die drei wohl an die 80 Stunden so miteinander zusammengesessen hätten, zuletzt bis um 5 Uhr in der Früh an diesem Freitag.
Politik ist immer Kommunikation (bei dieser Regierung noch mehr Fehlkommunikation) und deswegen transportieren solche Strichlisten und Kalendereinträge immer noch andere Botschaften als den bloßen Zeitaufwand: Der Kompromiss war richtig harte Arbeit, jeder hatte seine Argumente und Positionen, und jeder hat gekämpft wie ein Löwe. So entstehen die großen Heldengeschichten, die ihre Protagonisten später brauchen, wenn sie den Kompromiss verkaufen sollen.
Das Schöne am Bundeshaushalt ist jedoch: am Ende geht es um Zahlen – viele Zahlen zwar, aber man kann sie sortieren und hin- und herrechnen. Und wenn man das macht, dann muss man sich schon wundern, wozu die drei so oft miteinander reden und worum sie so lange ringen mussten. Die Grundzüge dieses Haushalts, die heute vorgestellt wurden, versprechen kein Schicksalsjahr 2025, keine harten Einschnitte und kein Ding der Unmöglichkeit. Eher eine sehr kreative Fortsetzung der bisherigen finanzpolitischen Linie dieser Regierung: Im Grunde ist für alle was da.
Knallharte Sparpolitik sieht anders aus
Man kann diesen Eindruck an drei Zahlen festmachen: Dieses Jahr plant die Ampelkoalition mit Ausgaben in Höhe von 489 Millarden Euro. Im kommenden Jahr sollen es nun 481 Millarden Euro werden, acht Milliarden weniger – bei diesen Größenordnungen fast eine Rundungsdifferenz. Vor Monaten war mal von 50 Milliarden Euro an notwendigen Einsparungen die Rede gewesen, später noch von 25 bis 30 Milliarden – und jetzt acht. Das ist eine Einsparung von weniger als zwei Prozent des gesamten Etats.
Und auch dafür legten Scholz, Habeck und Lindner nach 23 Treffen und 80 Stunden heute keinen klaren Plan vor, wer künftig wohl wo auf wie viel verzichten muss. Sondern für den Betrag sehen sie eine sogenannte globale Minderausgabe im Etat vor, will heißen: Man schaut in den kommenden Wochen und Monaten noch mal, vielleicht auch erst 2025, wo sich noch was sparen lässt. Knallharte Sparpolitik sieht anders aus.
Zwar kann sich der Finanzminister und FDP-Vorsitzende rühmen, die Schuldenbremse formal verteidigt zu haben. Aber in Wahrheit hat Lindner mit dem heutigen Verhandlungsergebnis einen neuen Trick präsentiert, mit dem sich die Vorschrift im Grundgesetz auch in den kommenden Jahren wunderbar umgehen lässt: Große Investitionen etwa in die Schiene oder den Ausbau der Autobahnen könnte der Bund künftig leichter auf Pump finanzieren, indem er Bahn und Autobahngesellschaft nicht mehr einfach das Geld überweist, sondern nur noch als vergünstigten Kredit zur Verfügung stellt.
Weil solche Kredite ja irgendwann vielleicht auch wieder zurückgezahlt werden, wären sie nach den Regeln der Schuldenbremse „neutral“, das bedeutet, sie zählen nicht in den nach dem Gesetz maximal erlaubten Kreditrahmen.

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Es gibt ein Wachstumspaket im Haushalt – wenn auch nur ein kleines
Zusammen mit einigen weiteren kleinen Tricks – eine für den Bund günstigere Verrechnung von Zinsgewinnen etwa, ein etwas laxerer Umgang mit unvorhergesehenen Ausgaben, alles Dinge, die hier und da ein paar Milliarden bringen – bestückt Lindner wieder jenen Handwerkskasten, den jeder kluge Finanzminister braucht, der sich von der Schuldenbremse nicht zu sehr einengen lassen will. Und der dummerweise nach dem Haushaltsurteil der Verfassungsrichter im vergangenen Herbst plötzlich sehr leer war. Dass dies ausgerechnet jener Minister schafft, der die deutsche Schuldenregel gegen die Kritik fast aller namhaften Ökonomen im In- und Ausland stur verteidigt, ist nicht ohne eine gewisse Ironie. Aber das ist eben auch Politik.
Immerhin schafft es die Regierung aber so, mit dem Haushalt 2025 nicht nur nicht zu sparen, zu kürzen und zu streichen. Sondern sie erarbeitet sich einige Spielräume für ein weiteres kleines Wachstumspaket, rund 23 Milliarden Euro groß, das etliche sinnvolle Entlastungen für Unternehmen und private Steuerzahler enthält: Bessere Abschreibungsregeln, eine ausgebaute Forschungsförderung, bessere steuerliche Förderungen für E-Autos als Dienstwagen, ein höheres Kindergeld.
Die Ampel schafft drei Dinge auf einmal
Im Vergleich zu dem, was andere Länder von der Größe Deutschlands bewegen, um ihre Wirtschaft anzuwerfen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, ist das viel zu wenig. Es ist auch zu wenig gemessen an den gewaltigen Rückständen, die Deutschland inzwischen in der öffentlichen Verwaltung, in der Infrastruktur und im Bildungsbereich aufgebaut hat. Ob damit wirklich die Wirtschaft im kommenden Jahr um 0,5 Prozentpunkte stärker wachsen wird als bisher unterstellt, wie die Koalition jetzt verspricht, wird sich kaum überprüfen lassen. Dennoch sind die geplanten Entlastungen sinnvoll und sehr viel besser als nichts.
So schafft dieser Etatkompromiss der Ampelkoalition immerhin gleich drei Dinge auf einmal: Er sichert einer angeschlagenen Regierung die Aussicht auf vier Jahre im Amt und diesem Land einigermaßen stabile Verhältnisse bis zur regulären Bundestagswahl im Herbst 2025; er schafft das kommunikative Kunststück, sparsam daherzukommen, obwohl mit ihm gar nicht gespart wird; und er bietet sogar ein paar positive Impulse für Unternehmen und Verbraucher, womit ja schon niemand mehr gerechnet hatte.