Interview Fischer schlägt völlig neues Krankenversicherungssystem vor

Fischer schlägt völlig neues Krankenversicherungssystem vor. Außenminister will Bürgerversicherung und Kopfpauschale - Wettbewerb in allen Bereichen des Gesundheitssystems

Hamburg - Bundesaußenminister Joschka Fischer hat die Einführung eines völlig neuen Krankenversicherungssystems in Deutschland vorgeschlagen. Wie Fischer in einem Interview des stern erläuterte, soll es die Krankenkassenbeiträge von den Löhnen entkoppeln sowie die Grundideen der Bürgerversicherung und der Kopfpauschale miteinander vereinen, die die Rürup-Kommission als Alternativen vorgeschlagen hatte. "Wir sollten beide Vorschläge zusammenfügen", sagte der Minister. "Wir entscheiden uns für das Einfrieren und Ausbezahlen des so genannten Arbeitgeberbeitrags. Das ist die Entkoppelung von den Lohnkosten, wie es die Kopfpauschale beinhaltet. Dann aber nicht den sozialen Ausgleich über Steuern schaffen, sondern über linear ansteigende Beiträge bis zu einer bestimmten Obergrenze, wie heute in der gesetzlichen Krankenversicherung. Drittes Element: Alle zahlen, auch Beamte und Selbstständige, wie bei der Bürgerversicherung. Wir hätten dann die Bürgerversicherung, aber abgekoppelt von den Lohnnebenkosten, weil die Arbeitgeber die Löhne und Gehälter um ihren bisherigen Anteil erhöhen."

Die Bürgerversicherung und des Kopfpauschalensystem jeweils für sich betrachtet hätten "positive und illusionäre Elemente", sagte Fischer dem stern weiter. Kopfpauschale bedeute nach dem Vorschlag des Sozialexperten Bert Rürup, "dass die Kassiererin bei Aldi genauso viel zahlt wie der Bundesaußenminister". Diese Ungerechtigkeit solle über Steuern ausgeglichen werden. Das bedeute, dass der Bundestag mit jedem Haushalt über die Gerechtigkeit im Gesundheitssystem entscheide. "Das halte ich für völlig illusionär", fügte der grüne Spitzenpolitiker hinzu. Die Bürgerversicherung wiederum begrenze nur die Beiträge, entkoppele sie aber nicht von den Löhnen. Daher solle man bei der Diskussion über die weiteren Perspektiven der Gesundheitsreform "gar nicht erst eine Kontroverse zwischen diesen beiden Vorschlägen aufkommen lassen", sondern sie vereinen.

Fischer sprach sich zugleich dafür aus, "Wettbewerb in allen Bereichen des Gesundheitssystems zuzulassen". Er habe jahrelang die These der Pharmaindustrie geglaubt, mit hohen Arzneimittelpreisen werde die Forschung im Inland finanziert. Jetzt stelle er fest, dass sie Preise in Ländern niedriger seien, wo mehr geforscht werde, weil dort Wettbewerb herrsche. Er verstehe auch nicht, fuhr Fischer fort, wozu die teuren Kassenärztlichen Vereinigungen gebraucht würden. Krankenkassen sollten direkt Verträge mit Ärzten abschließen. Zudem wünsche er sich "einen umfassenden Wettbewerb der Kassen". Wenn private Kassen auch im gesetzlichen Bereich tätig werden wollten, sollten sie das tun. Sie dürften sich dann aber "nicht nur eine besonders attraktive Beitragszahlergruppe herauspicken". Die gesetzlichen Kassen wiederum sollten auch Zusatzleistungen versichern können, wie das heute nur die privaten könnten. Schließlich sollten in Deutschland auch Apotheken-Ketten statt nur Einzelapotheken zugelassen werden. Dadurch würden die Preise sinken.

Nachrichtenredaktion