Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Berliner Kultursenator Joe Chialo bei einer privaten Feier als "Hofnarr" bezeichnet. Der Vorfall ereignete sich am 2. Februar bei einer Geburtstagsparty des Unternehmers Harald Christ, bei der rund 300 Politiker, Journalisten und weitere Gäste anwesend waren. Scholz sieht sich nun mit Rassismusvorwürfen konfrontiert.
Der ebenfalls anwesende Chefredakteur des "Focus"-Magazins, Georg Meck, hatte den Vorgang am Mittwoch in einem Bericht öffentlich gemacht. Demnach diskutierte Scholz mit Gästen über die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD im Bundestag wenige Tage zuvor. Der Kanzler unterstellte der Union, auch nach der Wahl ein Bündnis mit den Rechtspopulisten in Betracht zu ziehen. Daraufhin soll sich der schwarze CDU-Politiker Chialo in die Diskussion eingeschaltet haben.
Chialo fragte den Kanzler, ob er der CDU wirklich Rassismus vorwerfe, einer Partei, in der er Mitglied im Bundesvorstand im sei. Laut "Focus" soll Scholz ihm geantwortet haben, dass jede Partei "ihren Hofnarren" habe. Die Wortwahl des Bundeskanzlers wurde dem stern von mehreren Teilnehmern bestätigt. Andere Gäste der Veranstaltung berichten dem stern, wie aufgebracht Chialo nach dem Vorfall gewesen sei.
Joe Chialo erklärte gegenüber mehreren Medien bisher nur, dass es "einen Vorfall" gegeben habe, er sich aber nicht näher dazu äußern wolle. Scholz bestätigt inzwischen, dass es ein Gespräch gegeben hat.
Olaf Scholz über Vorfall mit Joe Chialo: "Der erhobene Vorwurf des Rassismus ist absurd"
In einem Statement des Bundeskanzlers heißt es, dass es in einem Gespräch "zwischen mir und einem Journalisten" auf einer privaten Geburtstagsfeier um das gemeinsame Abstimmungsverhalten von CDU/CSU und AfD im Deutschen Bundestag gegangen sei. "Des Weiteren ging es um die Frage, ob sich das wiederholen könne und wer innerhalb der CDU diesen Tabubruch überhaupt offen thematisiere."
Auf den Hinweis, dass es auch liberale Stimmen in der CDU gebe, habe Scholz entgegnet, "dass sich nur sehr wenige liberale Stimmen in der CDU gegen das Verhalten des CDU-Vorsitzenden gestellt und kritisch zu Wort gemeldet hätten". Dieser Hinweis kam nach stern-Informationen von Chialo.
Scholz sieht sich nun mit Rassismusvorwürfen konfrontiert. Wenn der Bundeskanzler "diese rassistische Entgleisung" begangen habe, schrieb CDU-Vizechefin Karin Prien auf X, müsse er sich "unverzüglich" bei Chialo und der CDU entschuldigen. Wer solche "charakterlichen und politischen Defizite" zeige dürfe keine Regierung führen, schrieb Prien. Andere Unionspolitiker forderten eine Entschuldigung des Bundeskanzlers.
Der Gastgeber der Party, Harald Christ, sagte dem stern: "Als es zu dem Dialog zwischen Bundeskanzler Scholz und dem von mir sehr geschätzten Senator Chialo gekommen sein soll, war ich nicht zugegen." Zu Beginn des Abends habe er auf den nicht-öffentlichen Charakter der Veranstaltung hingewiesen. "Die Voraussetzung für einen Abend, bei dem offen miteinander geredet werden darf und soll, ist, dass über persönliche Gespräche öffentlich nicht berichtet wird", sagte Christ.
Christ, der früher SPD-Mitglied war, sagte weiter: "Ich kenne Olaf Scholz aber lange und gut genug, um zu sagen: Es ist absurd, den Bundeskanzler in die Ecke eines Rassisten zu rücken."
Olaf Scholz schaltet bekannte Anwaltskanzlei ein
Scholz selbst wehrt sich jetzt gegen den Rassismusvorwurf. Er erklärt in seinem Statement: "Der dabei von mir verwandte Begriff ist im Sprachgebrauch nicht rassistisch konnotiert und war von mir auch nie so intendiert. Der erhobene Vorwurf des Rassismus ist absurd und künstlich konstruiert. Persönlich schätze ich Joe Chialo gerade als eine wichtige liberale Stimme in der Union."
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch kritisierte die Berichterstattung, warf "Focus Online" vor, die Aussage von Scholz "bewusst in einen rassistischen Kontext" zu setzen. "Olaf Scholz hat deshalb rechtliche Schritte eingeleitet und Medienanwalt Christian Schertz eingeschaltet."
Die Anwaltskanzlei geht nicht gegen den gesamten Bericht des Focus vor, sondern gegen einen Satz in der Berichterstattung. Das geht aus einer Presseerklärung hervor. Dieser Satz – in dem Chialos Hautfarbe erwähnt wird – sei zentral für den Rassismusvorwurf, aber wahrheitswidrig ergänzt worden, argumentiert die Kanzlei. Scholz habe die Formulierung "zu keinem Zeitpunkt getätigt".