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Kögida Köln gegen die Verdummung des Abendlandes

Kleines Nazi-Grüppchen findet große Plattform: Trotz des kläglichen Demo-Versuchs der letzten Woche marschiert Kögida unverdrossen weiter durch die Domstadt - und gibt sich der Lächerlichkeit preis.
Von Frank Gerstenberg, Köln

Nazis raus", schreien die rund 3000 Demonstranten auf der Domplatte und vor den Absperrgittern in ein dunkles Loch hinein. Irgendwo in der hintersten rechten Ecke des Ausgangs vom Kölner Hauptbahnhof mochten sie stehen: Die "Kölner gegen die Islamisierung des Abendlandes", Kögida, oder das, was von ihnen nach dem Waterloo zehn Tage zuvor in Köln-Deutz übrig geblieben ist. Sehen konnte sie keiner der vielen Kölner vom Aktionsbündnis "Köln stellt sich quer", die, wie die Studentin Miriam Rouigui (23), gekommen waren, um "gegen die Verdummung des Abendlandes" zu demonstrieren.

Das kleine Häuflein, das sich da abgeschirmt von Polizeiwagen und Polizisten aus allen Teilen NRWs um den kleinen weißen Lieferwagen versammelte, der bereits beim Kögida-Demo-Versuch am 5. Januar in Köln-Deutz die Redner-Kulisse bilden sollte, erbärmlich zu nennen, ist die maximal zulässige Übertreibung. 300 waren angemeldet, keine Hundert waren gekommen. Darunter keine Irrläufer aus der konservativen bürgerlichen Mitte mehr, keine Hausfrau, die Angst vor "ganz schwarzen Ausländern" hat, kein Sozialpädagoge, der nicht hinnehmen will, dass "aus Steuergeldern die Klos in den Gefängnissen umgebaut werden, damit sie nicht mehr nach Mekka zeigen". Die Rechten waren ganz unter sich: pro NRW, HogeSa, Stiernacken, Nazi-Tätowierte. "Wir-sind-das-Volk-Gröler", die den schönen Slogan der Leipziger 89er-Demonstranten allmählich endgültig in den Dreck ziehen.

Der Stadtrat lebt seine Psychosen öffentlich aus

Der Kölner pro-NRW-Stadtrat Markus Wiener sieht in ihnen "Widerständler" gegen die "Altparteien" und die "Islamisierungs-Verharmloser". Und auch, wenn wir mit dieser Veröffentlichung sein Geschäft wieder mit besorgen, ist es vielleicht nicht unwichtig, einmal in die O-Töne dieses Mannes herein zu hören, der demokratisch gewählt wurde und der zwischen tausenden Kölnern und mehreren Hundertschaften Polizei öffentlich seine Psychosen ausleben darf. Der sich, einen weißen Deutschland-Schal um den Hals gebunden, für seinen Stadtrat "schämt", weil der von "90 Mitgliedern" nur ihn "als einzigen offiziellen Vertreter" geschickt habe, um die "Anständigen" in Köln zu begrüßen. "Die anderen stehen bei den Linken", wettert er, "die in dieser Stadt ein Klima der Angst geschaffen haben".

Umso mehr freue es ihn, dass "nun auch in West-Deutschland Leute auf die Straße gehen". Der Kölner Dom sei dafür genau der "richtige Ort, dieses Wahrzeichen der christlichen Kirchen". Dem hatte der Kölner Domprobst Norbert Feldhoff noch vor zehn Tagen das Licht ausgeknipst, auf dass die selbsternannten Abendlandretter nicht nur geistig im Dunkeln tappten. Doch dies, hieß es aus dem Domkapitel, sei eine "einmalige Aktion" gewesen.

Wiener hätte wahrscheinlich seine Parolen auch in das Mikrofon gebrüllt, wenn er mit der zweiten Rednerin Melanie Dittmer alleine vor dem Lieferwagen gestanden hätte. Dittmer ist die landesweit bekannte Neonazi-Frau, die im Spiegel-Interview gesagt hat: "Es ist für mich unerheblich, ob es den Holocaust gegeben hat." Denn für Wiener war es ein Tag der Freude: Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte kurz vor seiner Kundgebung um 18.30 Uhr erlaubt, dass Kögida ihren "Abendspaziergang" vom Bahnhof zur Börse unternehmen darf.

Abendspaziergang mit den braunen Kumpels

Licht an, Marschbefehl, viele Kameras, Deutschlandfahnen – welch ein Tag für Wiener, der auf dem "Abendspaziergang" unaufhörlich Selfies von sich und seinen braunen Kumpels schoss. Fragt sich nur, ob die Neonazi-Truppe nicht etwa unter falscher Flagge segelt. Denn nach dem Misserfolg in Deutz und wegen ihrer Nähe zur Neonazi-Szene hatte die Pegida-Zentrale in Dresden Melanie Dittmer als Pressesprecherin gefeuert. Auch Polizeipressesprecher André Fassbender konnte oder durfte nicht sagen, wer sich eigentlich in Köln angemeldet hat. "Wir wissen auch langsam nicht mehr, wer wer ist", sagte er dem stern.

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