Merkels Zwischenbilanz Lächeln, lächeln und ein K.o.-Schlag

  • von Hans Peter Schütz
Halbzeit der Großen Koalition. Angela Merkel zog jetzt lächelnd Bilanz und gab optimistisch Ausblick auf ihre restlichte Amtszeit. Nur mit Bundespräsident Horst Köhler rechnete sie harsch ab - ohne ein Lächeln auf den Lippen.

Allzu lange sind sie ja noch nicht her, die schönen Tage auf Schloss Genshagen nahe Berlin. Wo im Januar 2006 die Protagonisten der Großen Koalition beschlossen: Wenn wir von den Wählern schon zusammen gezwungen sind, wollen wir uns doch auch mögen müssen. Wo der schwarze Volker (Kauder) zum roten Peter (Struck) sagte, "sag' Du zu mir." Und wo CDU/CSU und SPD beschlossen, es mit Arthur Schopenhauer und dessen philosophischen Gedanken über die Stachelschweine zu versuchen - nämlich jene mittlere Nähe (oder Entfernung) herauszufinden, in der man sich nicht mehr piekst, aber doch noch ein bisschen Wärme gibt, kurzum, in der man es am besten miteinander aushalten kann.

"Sehr fähig zu schweigen"

Wie man das macht, haben manche Sozialdemokraten immer noch nicht begriffen. Sie maulen herum, verlangen mehr Führung. Wie das geht, hat den Genossen - jetzt wieder einmal - Angela Merkel vorgeführt. Lächelnd, lächelnd, lächelnd. So stand sie am Mittwoch in der Bundespressekonferenz Rede und Antwort, ehe sie in den Sommerurlaub entschwand. 95 Minuten und 15 Sekunden. Einmal mehr die Psychoanalytikerin Margarethe Mitscherlich bestätigend, die Merkel dafür rühmt, besänftigend zu wirken und "sehr fähig, zu schweigen," auch wenn sie redet.

53 Jahre alt ist die Kanzlerin am Dienstag geworden. Auf die Sekunde pünktlich sitzt sie vor den Berliner Journalisten. Weißes Top, rosa Jackett. Keine Spur vom Stress des Regierens der vergangenen Monate, ihr Regierungssprecher Wilhelm sieht strapazierter aus. Natürlich hat sie an diesem Tag schon gelesen, was die jüngste stern-Umfrage verkündet. Die SPD bei 24 Prozent, die Union bei 38. Könnten die Deutschen den Kanzler direkt wählen, stimmten 55 Prozent für Merkel, nur 16 Prozent für Kurt Beck.

Es bleibt bei "sanieren, reformieren, investieren"

Auf so stabiler Basis zieht es sich leicht Bilanz. Was bisher gegolten habe, sagt sie und lächelt, gelte auch für die zweite Hälfte der Legislaturperiode: "Sanieren, reformieren, investieren." Der Dreiklang habe sich bewährt. Also weiter so! Und sagt: "Ring frei für ihre Fragen." Und lächelt.

Und lächelt auch, wenn die Fragen sich auf sensible Themen richten. Müsse sie nicht Innenminister Schäuble zur Ordnung rufen, der über den Staatsmord an Terroristen räsoniert hat? "Ich erteile Ministern keine Denkverbote." Selbstverständlich müsse über die neue Qualität der Bedrohung durch den Terrorismus nachgedacht werden. Handlungsbedarf gebe es allerdings vorerst nur bei der gesetzlichen Grundlage für Online-Durchsuchungen durch das Bundeskriminalamt.

Lebt in "unglaublich spannenden Zeiten"

Nächstes Thema: die Kernkraftpannen. Dass dafür wegen der nicht akzeptablen Informationspolitik einige Herren gehen mussten, "da hält sich mein Mitleid in Grenzen," sagt sie. Und lächelt. Wie sie erkläre, dass in ihrer Ministermannschaft noch keiner ausgewechselt worden sei? "Mit meiner liebevollen Art natürlich." Wie ist das mit der Führungsschwäche, von der SPD stetig beklagt? Das lässt sie abperlen. "Jeder führt auf seine Weise." Vizekanzler Franz Müntefering wird mit dem Lob geadelt, er sei eine Stütze der Regierung. Eigentlich scheint das Regieren mit einer Großen Koalition ja kinderleicht zu sein. "Man muss seine Aufgaben machen - und fertig." Das Kanzleramt eine Belastung? Natürlich nicht, man "lebt ja in unglaublich spannenden Zeiten."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Das Glatteis, auf das sie sich von den Fragern führen ließe, gibt es nicht. Wolle sie wie Vorgänger Gerhard Schröder nach zwei Legislaturperioden in Pension gehen? Was wäre es für eine schöne Schlagzeile, wenn Merkel jetzt mit einem Ja antwortete. Doch sie sagt: "Ich fülle mein Amt gerne aus und beabsichtige das weiter zu tun." Nächster Versuch. Was halte sie von der "Herdprämie," mit der die CSU Frauen belohnen will, die Kinder unter drei Jahren zuhause erziehen? Vorsicht. Sie erkennt die Rutschgefahr - und lächelt das Problem weg: "Ich kenne eine solche Prämie nicht." Überhaupt sei sich die Koalition in einem völlig einig: "Kinder brauchen glückliche Eltern."

Maßregelung für Köhler

So bleiben am Ende der Merkel-Show nur zwei Verlierer. Der eine heißt Horst Köhler. Wie sie denn finde, dass der Bundespräsident über die Wahl des Präsidenten via Volksabstimmung nachdenke? Da redet die Kanzlerin für ihre Verhältnisse an diesem Tag Klartext. Die Statik des Grundgesetzes sei gut ausgewogen. Sie sei eine sich ruhende Statik, die sich nicht einfach an einer Stelle verändern lasse. Nein, die Direktwahl komme nicht in Betracht. Rumms. Kein Lächeln. Jetzt weiß Köhler, was Merkel denkt. Ein Affront gegen den Präsidenten? Wohl schon. Denn kurz zuvor hatte sie gesagt: "Der Respekt des Amtes gebietet, dass wir zu dem, was der Bundespräsident tut nicht Stellung nehmen."

Der zweite Verlierer dieser Pressekonferenz heißt CSU. Nicht eine Frage galt dem Verhältnis Merkels zur Bayern-Partei und ihrer Führungskrise. Man kann darauf wetten, dass Merkel das Desinteresse als Signal des bundespolitischen Bedeutungsverlusts der CSU bewertet. Selbstredend würde sie darüber niemals reden.

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