Niedriglohnkonzept Union uneins über gesetzliche Mindestlöhne

Im Streit über Mindestlöhne nimmt die SPD einen neuen Anlauf: Sie startete eine bundesweite Unterschriftenaktion für Mindestlöhne; die CDU lehnt ein einheitliches Konzept strikt ab. Allenfalls beim Thema sittenwidrige Bezahlung zeigte sie sich kompromissbereit.

Eine umfassende Neuregelung des Niedriglohnsektors lässt weiter auf sich warten. Eine Lösung war wegen des seit Monaten dauernden Koalitionsstreits um Mindestlöhne auch am Montag nicht in Sicht. Für den Abend war eine weitere Sitzung der Arbeitsgruppe von Union- und SPD-Experten unter Leitung von Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) geplant. In der Union wurden beim Thema Mindestlohn erneut Differenzen sichtbar. Die SPD startete ihre bundesweite Unterschriftenaktion für Mindestlöhne.

Münteferings Sprecher Stefan Giffeler wies darauf hin, dass bei dem Treffen der Arbeitsgruppe Niedriglohnsektor das zentrale Thema Mindestlöhne ausgeklammert sei. Damit befasst sich am kommenden Mittwoch eine achtköpfige Runde von Spitzenpolitikern der Union und der SPD im Bundeskanzleramt. Erst wenn diese Runde beim Thema Mindestlöhne - der "zentralen Säule" - weiter gekommen sei, könne "das Gesamtkonzept präsentiert werden".

Das von Müntefering in die Diskussion geworfene Verbot von sittenwidrigen Löhnen sei "nur eine Facette des Gesamtthemas Mindestlöhne", sagte Giffeler. Der Minister plädiere nach wie vor dafür, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf möglichst alle Branchen auszudehnen, um tariflich vereinbarte Mindestlöhne für allgemein verbindlich erklären zu können.

Offen für Verbot sittenwidriger Löhne

Die CDU-Spitze blieb bei ihrer Ablehnung eines einheitlichen gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland. Dies "würde Hunderttausende von Arbeitsplätzen kosten, aber keinen einzigen Arbeitsplatz schaffen", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Die CDU-Spitze zeigte sich aber offen für die Pläne Münteferings für ein Verbot sittenwidriger Löhne. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte zuvor vor staatlichen Eingriffen in den Arbeitsmarkt gewarnt.

Der CDU-Arbeitnehmerflügel sieht nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" den Widerstand der Unions-Parteien gegen Mindestlöhne jedoch schwinden. Der Vize-Vorsitzende der Unions-Arbeitnehmergruppe, Gerald Weiß (CDU), sagte der Zeitung: "Da ist Bewegung drin. In der Union gibt es zunehmend die Erkenntnis, dass nicht nur in der Baubranche und bei den Gebäudereinigern etwas im Argen liegt. Die Probleme sind nicht zu negieren." CDU-Arbeitsmarktexperte Ralf Brauksiepe zeigte in der "Frankfurter Rundschau" Sympathien für die Pläne Münteferings, sittenwidrige Löhne zu verbieten.

Brauksiepe signalisierte Kompromissbereit, sieht aber noch Diskussionsbedarf: "Wie halten wir es mit bestimmten Kombilohnmodellen, wie regeln wir die Hinzuverdienste für Arbeitslosengeld II-Bezieher neu, da ist noch einiges zu regeln. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir alle Chancen haben, auf die Probleme, die sich in diesem Land stellen, in den nächsten Wochen sachgerechte Antworten zu geben", sagte er im ZDF-Morgenmagazin.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Heil: "Wichtig, Druck zu machen"

Zu den Erstunterzeichnern der SPD-Unterschriftenaktion für Mindestlöhne gehörten neben Müntefering auch SPD-Chef Kurt Beck, DGB- Chef Michael Sommer sowie die Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte, es sei wichtig für die SPD, in der Frage existenzsichernder Löhne "Druck zu machen". Grünen-Chef Reinhard Bütikofer forderte, bei den Löhnen müsse es eine "absolute Untergrenze" geben. "Fünf Euro sind schon sittenwidrig", sagte er. Die Linksfraktion forderte einen gesetzlichen Mindestlohn von 8 Euro.

Sommer hält ein Verbot sittenwidriger Niedriglöhne für nicht ausreichend. Dies könne gesetzlich festgelegte Mindestlöhne nicht ersetzen, sagte er. Die Sittenwidrigkeit beginne nicht erst bei 3,20 Euro - was sich aus geltendem Richterrecht und aus Münteferings Vorstellung ergebe. Schon ein "ortsüblicher" Lohn von 4 Euro sei zum Leben zu wenig, rügte der DGB-Chef.

Der Vorsitzende des Union-Mittelstandsflügels, Josef Schlarmann, wies den Vorschlag zurück, Unterschreitungen von Tariflöhnen um mehr als 30 Prozent per Gesetz als sittenwidrig zu verbieten. Dabei handele es sich um einen "verdeckten Mindestlohn", der wie gesetzliche oder tarifliche Mindestlöhne auch abzulehnen sei.

DPA
DPA