"Scholz packt das an", steht auf vielen Plakaten und Anzeigen der SPD in diesem Wahlkampf. Was genau der Kanzlerkandidat anpackt bleibt dabei offen. Gemeint sein dürfte im Zweifel: alles! Ein Eindruck, den Olaf Scholz auch in der ARD-"Wahlarena" massiv vermittelte. Der Kanzlerkandidat scheint deckungsgleich mit dem Wahlprogramm der Sozialdemokraten – und es hat ihn aktuell zum Favoriten auf den Einzug ins Kanzleramt gemacht.
Einige zentrale Erkenntnisse, die sich aus dem Scholz-Auftritt gewinnen lassen:
Das Auftreten
Zurschaustellung von Souveränität
Enorme Erfahrung, enorme Sachkenntnis, enorme Souveränität: Olaf Scholz zeigte sich in der "Wahlarena" so wie schon während des gesamten Wahlkampfs. Ruhig, gelassen, sachlich, kenntnisreich, siegesgewiss. Eine Attitüde, die beim deutschen Wahlvolk seit Wochen sehr gut ankommt. Dazu die äußerliche Mischung aus Seriösität (dunkler Anzug) und gebremster Lockerheit (offener Kragen, kein Schlips). Scholz strahlte während der kompletten Sendung aus, was er gelegentlich auch während seiner Antworten formulierte: "Darauf können Sie sich verlassen". Sicherheit und Gelassenheit in aufgeregten Zeiten – auch in der Arena bediente der SPD-Kandidat eine große Sehnsucht der Deutschen.

Die Methode Scholz
Scholz ging in der Arena nach einer ganz bestimmten Methode vor, um selbst kritischen Fragen den Wind aus den Segeln zu nehmen und meist sogar ein zustimmendes Nicken abzuringen. Nach jeder Frage stimmte er der Darstellung zu, gab den Fragenden im Grundsatz recht, lobte bei Gelegenheit das besondere Engagement einer Person und vermied offenes Widersprechen. Danach nutzte der 63-Jährige seinen Erfahrungsschatz und überschüttete die Fragesteller:innen mit Details zum Thema, schon eingeleiteten Maßnahmen und bereits verabschiedeten Gesetzen. Kaum jemand war danach noch in der Lage, eine Nachfrage zu stellen oder Einwände zu erheben. Ein zustimmendes Nicken von Scholz beseitigte dazu meist letzte Zweifel. Tenor: Nun wissen Sie Bescheid! Auch das sehr souverän, aber längst nicht immer eindeutig in der Antwort.
Die Inhalte
Koalition mit der Linken bleibt Option

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Trotz der Scholz-Methode wurde deutlich: Olaf Scholz schließt nicht aus, die Linke an einer Regierungskoalition zu beteiligen. Einem 18-Jährigen, der sich als SPD-Wähler outete, aber sich darauf verlassen will, dass die Linke wegen ihrer Haltung zur Nato und Sicherheitspolitik nicht an der Regierung beteiligt wird, versicherte Scholz, dass er ihm vertrauen dürfe. Je stärker die SPD werde, umso besser werde die Regierung. Anders gesagt: Scholz hofft, nicht auf die Linke angewiesen zu sein, will sich der umstrittenen Macht-Option aber offensichtlich nicht berauben. Denn:
CDU/CSU soll sich "in der Opposition erholen"
"Sie können sicher sein, dass mein ganzes Ziel das ist, wie übrigens, wie ich den Eindruck habe, das vieler Bürgerinnen und Bürger, dass die CDU/CSU sich jetzt mal in der Opposition erholen kann", sagte Scholz auf die Frage eines Zuschauers, ob er sicher sein könne, dass es keine neue große Koalition mehr geben werde. Wie die neue Regierungskoalition aussehen könnte, wollte Scholz nicht sagen. Es gebe im Augenblick ein "ganz, ganz demokratisches Momentum". Die künftige Koalition werde nicht im Hinterzimmer ausgemacht. "Jetzt ist die Stunde der Bürgerinnen und Bürger, die entscheiden." Es komme auf den Kanzler an.
Rentenalter wird nicht erhöht
In der Frage des Renteneintrittsalters legte Scholz sich klar fest. Er sei gegen eine weitere Anhebung über 67 Jahre hinaus: "Das werden wir nicht machen", versicherte er. Außerdem setze sich die SPD für ein "stabiles Rentenniveau" ein, anders als etwa die Union. Es war einer der wenigen Seitenhiebe auf den aktuellen Koalitionspartner.
Festhalten am Kohleausstieg 2038
In Sachen Klimapolitik verteidigte der SPD-Kandidat sein Festhalten am Kohleausstieg 2038. Er verwies darauf, dass die Kapazitäten sowohl der Atom- als auch der Kohlekraftwerke ersetzt werden müssten und zugleich der Strombedarf der Industrie enorm steige. Wenn es machbar sei, unterstütze er aber einen früheren Kohleausstieg – eine vorsichtiges Signal der Annäherung an die Grünen.
Gastronomie: Mehrwertsteuer bleibt gesenkt
Restaurants und Gaststätten will Scholz helfen, indem die gesenkte Mehrwertsteuer beibehalten wird. "Wir haben die Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie gesenkt und das nochmal verlängert, und ich will Ihnen gerne versichern: Ich habe dieser Verlängerungsentscheidung zugestimmt und der Einführung in dem sicheren Bewusstsein: Das schaffen wir nie wieder ab", so Scholz. "Also das ist jetzt etwas, was für die Gastronomie jetzt auch gelten soll." Im Rahmen ihrer Corona-Hilfspakete hatte die Koalition für Speisen in der Gastronomie den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 statt 19 Prozent greifen lassen, aktuell mit Verlängerung bis Ende 2022.
Digitaler Unterricht auch nach Corona
Ein Ende der Pandemie soll nicht gleichbedeutend sein mit einem vollständigen Ende von digitalem Unterricht. "Corona ist ja bald vorbei, und dann sollten wir aber nicht aufhören mit der digitalen Infrastruktur an den Schulen", so Scholz. "Wir sollten nicht wünschen, dass jetzt eine ganze Woche Digitalunterricht stattfindet – aber wenn mal zwei, drei Stunden digital gemacht werden, wenn man lernt zusammenzuarbeiten zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrern mit digitalen Formaten, dann hilft das ja auch, dass junge Leute gut vorbereitet sind für ein Leben, in dem digitale Kommunikationsmöglichkeiten eine ganz, ganz große Rolle spielen." Scholz erwartet, dass die Milliardenförderung des Bundes für die Schuldigitalisierung im "Digitalpakt Schule" nun verstärkt an den Schulen ankommt.
Bekenntnis zu einer starken Bundeswehr
Eine starke Bundeswehr "im europäischen Verbund" ist Scholz gerade mit Blick auf das Debakel in Afghanisten ein Anliegen. "Ich werde auch alles dafür tun, dass die Bundeswehr in den nächsten Jahren immer eine ausreichende Ausstattung hat," kündigte Scholz an. Deutschland müsse mit eigenständigen europäischen Kapazitäten auch in der Lage sein, Soldaten in einen Einsatzort hinein- und dann wieder herauszubringen. Scholz bekannte sich zu gemeinsamen Rüstungsanstrengungen innerhalb der EU, bekannte aber zugleich: "Wir werden immer mit den USA zusammen verbündet sein müssen." Anderes könnten "nur Phantasten behaupten". Es bleibe angesichts der sehr starken Verteidigungskraft der USA wichtig, mit ihnen in der Nato zusammenzuarbeiten. Ein Knackpunkt, sollte es auf eine Koalition mit der Linken hinauslaufen.
Mit Material von DPA und AFP