Parteiaufschwung Sommertraum der SPD

In den Umfragen verbesserte sich die SPD zuletzt leicht. SPD-Politiker sagen: "Die Situation ist gut, aber nicht stabil." Der Wahlmonat September könnten den zarten Aufschwung jedoch wieder zunichte machen.

Friedrich Merz ist derzeit einer der CDU-Lieblingspolitiker für Sozialdemokraten. "Jedes Interview von Merz ist für uns unbezahlbar", freut man sich in der SPD-Parteispitze. Mitten in der Sommerpause hat der Unions-Fraktionsvize den Kündigungsschutz in Frage gestellt und damit die bereits über die Gesundheitspolitik zerstrittene Union auf die Bühne des Polit-Sommertheaters gezerrt. Die SPD vergisst darüber fast das Dauer-Scharmützel um Hartz IV und freut sich über kleinste Zugewinne in den Wahlumfragen, während das Hoch der Union ein wenig bröckelt. Nachhaltig ist die Erholung der SPD nach Einschätzung von Experten aber noch nicht. Der Wahlmonat September könnte den zarten Parteiaufschwung wieder zunichte machen.

"Der freie Fall ist gestoppt"

"Die Situation ist gut, aber nicht stabil", sagen SPD-Spitzenpolitiker. An anderer Stelle in der Partei heißt es: "Der freie Fall ist gestoppt." Anders als in den vergangenen Jahren klappt es dieses Mal halbwegs mit der Koalitionsruhe zur Sommerpause. Lediglich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement hat es einmal mehr in die Schlagzeilen geschafft, indem er die Aufregung über die Arbeitsmarktreform mit der Debatte um die Zahlungspause noch weiter anfachte.

Im ZDF-Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen verbesserte sich die SPD um einen Punkt auf 26 Prozent, bei Forsa legte sie zwei Punkte auf 25 Prozent zu. Die Union verlor dagegen in beiden Umfragen, liegt aber immer noch bei Werten über 40 Prozent. "Das ist noch keine Erholung für die SPD", sagt Manfred Güllner vom Forsa-Institut. "Weg ist lediglich die Europawahl-Delle." Die Verluste der Union kämen nicht direkt der SPD zugute, da die meisten ehemaligen SPD-Anhänger eher in die Unentschlossenheit abgewandert seien. Von dieser Position aus würden sie zur Rückkehr zur SPD bewegt, je mehr sie die Pläne der Union als ungerecht bewerteten.

"Mit der Union vom Regen in die Traufe"

"Es ist toll, dass die Union ihr wahres Gesicht der Zerrissenheit und der aggressiven Lust am Sozialabbau zeigt", frohlockt SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler angesichts der CDU-Debatte über Kopfpauschale und Kündigungsschutz. "Die Leute sehen, dass sie mit der Union vom Regen in die Traufe kommen."

Auch in der Union fürchten viele, dass eine allzu radikale Programmatik Wähler verschrecken könnte. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Christoph Böhr mahnt schon lange, es mit dem Reformeifer nicht zu übertreiben. Und CSU-Vize Horst Seehofer, der entschiedenste Gegner der CDU-Gesundheitspläne, nennt die von der Schwesterpartei geplante Kopfpauschale schlicht einen Sympathiekiller. Dass die Union die Bühne des Berliner Sommertheaters praktisch allein einnimmt, hat vor allem einen Grund: in keinem zentralen Politikfeld - Steuer, Gesundheit oder Arbeitsrecht - sind sich die Schwesterparteien wirklich einig.

"Überflüssig wie ein Kropf"

Selbst bei der Steuerreform, wo Merz in monatelangem Ringen mit der CSU einen Kompromiss erarbeitet hat, kommen schon wieder Änderungswünsche auf. CDU und CSU seien zu kurz gesprungen, klagt Baden-Württembergs Regierungschef Erwin Teufel (CDU): "Der Tag wird kommen, an dem sie ihr gemeinsames Konzept zur Steuerreform kassieren müssen." Die Union steckt in einem Dilemma: Übertüncht sie offene Streitfragen mit oberflächlichen Kompromissformeln, stehen ihr harte Auseinandersetzungen bevor, sollte sie 2006 an die Regierung kommen. Andererseits riskieren die C-Parteien ein Absacken in den Umfragen, sollte der Zwist andauern. "Überflüssig wie ein Kropf" sei das Sommertheater seiner Partei, schimpft CDU-Wirtschaftspolitiker Peter Rauen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Auf die Opposition allein kann die SPD ihren Aufstieg jedoch nicht bauen. Wie seit Monaten setzen die Sozialdemokraten zudem auf den Wirtschaftsaufschwung. "Die SPD kommt nach oben mit der wirtschaftlichen Entwicklung", sagt Stiegler. Ganz konkrete Aufstiegsträume schließen sich da für den bayerischen Politiker Stiegler an: "Ein Jahr wird es schon dauern, bis wir vor Kraft nicht mehr gehen können", sagt er.

"Jedes schlechte Wahlergebnis drückt auf den Bundestrend"

Der Kraftaufbau könnte aber schon in den Anfängen stecken bleiben. Auch der SPD droht in der Sozialpolitik parteiinterner Streit: Fraglich ist, ob sich Clement oder NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück mit den rot-grünen Plänen zur Bürgerversicherung anfreunden können. Weiteres Ungemach könnte der Wahlmonat September bringen: bei der Landtagswahl in Sachsen könnte die SPD auf ein einstelliges Ergebnis abrutschen, in Brandenburg könnte sie von der PDS überholt werden, im Saarland ist die CDU-Mehrheit unangefochten. Bei der NRW-Kommunalwahl hoffen Sozialdemokraten verzweifelt auf wenigstens ein paar Bürgermeister-Posten. "Jedes schlechte Wahlergebnis drückt auf den Bundestrend", sagt Güllner. "Es kann sein, dass die SPD Ende September wieder da ist, wo sie nach dem 13.6. war."

Reuters
Daniela Vates / Rene Pfister / Reuters