Programm-Check Linkspartei (VII) Rückzug aus Afghanistan?

  • von Tiemo Rink
Die Linkspartei will die Bundeswehr aus Afghanistan abziehen. Ist diese Forderung realistisch? Und ginge es dem Land danach besser? stern.de fragte nach.

Beim Wort genommen

"Die Bundeswehr wird aus Afghanistan abgezogen." (100-Punkte-Programm der Linkspartei)

Die Sicht der Linken

Wenn es nach der Meinung der Bevölkerung ginge - die Bundeswehr wäre längst weg. Schon vor einem Jahr sprach sich die Mehrheit der Deutschen in einer Forsa-Umfrage für einen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan aus. Von den im Bundestag vertretenen Parteien fordert die Linkspartei genau das: einen Abzug der deutschen Truppen.

Monika Knoche

, außenpolitische Sprecherin der Linkspartei, sagt im stern.de-Gespräch: "Es geht um eine andere Sicherheitspolitik für dieses Land und eine Neuausrichtung der deutschen Afghanistan-Politik: weg vom militärischen, hin zu einer zivilen Aufbaustrategie. Die Karzai-Regierung kann kein Ansprechpartner für uns sein, da Drogenbarone und Warlords mit in der Regierung sitzen. Die Linkspartei setzt auf die Zusammenarbeit mit Akteueren der Zivilgesellschaft, also NGOs, Menschenrechtsorganisationen, Umweltorganisationen und der Frauenrechtsorganisation RAWA. Diese Leute wissen, dass bei einem Abzug der Militärs das Problem mit al Kaida zwar nicht gelöst ist, sie dieses Problem jedoch ohnehin nur selber lösen können."

Matthias Dembinski

Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung

"Es ist zu befürchten, dass die Chancen für ein ziviles Krisenmanagement bei einem deutschen Rückzug aus Afghanistan stark sinken würden. Die Machtverhältnisse vor Ort sind anders, als von der Linkspartei gewünscht. Drogenbarone, Warlords und Taliban haben die Macht. Eine Zivilgesellschaft im westlichen Sinn gibt es in Afghanistan einfach nicht, das ist der Kern des Problems."

Rolf Tophoven

Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik

"Die Taliban würden einen Rückzug deutscher Soldaten als einen Sieg über die Ungläubigen interpretieren. Das Ziel der Taliban ist die Destabilisierung des Landes. Statt eines Rückzugs müsste man um die zivilen Objekte in Afghanistan zu schützen noch viel mehr Soldaten dahin entsenden, mindestens 300.000 Mann."

Henning Riecke

Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

"Ein Abzug deutscher Soldaten würde zu Glaubwürdigkeitsverlusten führen. Außerdem wäre unklar, wie der Aufbau in Afghanistan weiter stattfinden sollte. Die zivilen Objekte dort brauchen den militärischen Schutz. Darüber hinaus werden Akteure der Zivilgesellschaft bereits jetzt in den Staatsbildungsprozess nach Möglichkeit mit einbezogen."

Schlechte Realisierungschancen

Aktuell stehen die Chancen für einen Truppenrückzug denkbar schlecht. Ein Abzug ist zwar populär, allerdings wären - so die Experten - die Probleme in Afghanistan dadurch wohl eher größer als kleiner.

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Fazit