PROZESS Sieben Jahre Freiheitsstrafe für Ex-SS-Offizier Engel

Der 93-jährigewurde für die grausame Erschießung von 59 Italienern verantwortlich gemacht. Wegen seines hohen Alters wurde Engel aber Haftaufschub gewährt.

Der ehemalige SS-Offizier Friedrich Engel ist vom Hamburger Landgericht wegen Mordes in 59 Fällen zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Tötung der italienischen Gefangenen im Zweiten Weltkrieg sei grausam und nicht rechtmäßig gewesen, sagte der Vorsitzende Richter Rolf Seedorf am Freitag. Auf Befehlsnotstand könne Engel sich nicht berufen. Das Gericht verzichtete wegen des hohen Alters des 93-Jährigen auf eine sofortige Inhaftierung.

Hofft auf Haftverschonung

Unklar ist, ob Engel die Haft später antreten muss. Auf Grund seines Alters kann er auf Haftverschonung hoffen. Ohnehin muss das Urteil zunächst rechtskräftig werden. Staatsanwalt Jochen Kuhlmann rechnete aber damit, dass das Verfahren jetzt vor den Bundesgerichtshof kommt. »Ich bin sicher, dass die Verteidigung Revision einlegt«, erklärte er.

Kein Kommentar vom Angeklagten

Die Richter folgten mit dem Urteil nicht dem Antrag des Staatsanwalts und der Nebenkläger, die auf lebenslange Haft plädiert hatten. Sowohl der Staatsanwalt als auch die Anwältin der Nebenkläger betonten aber, sie könnten mit dem Urteil leben. Die Verteidigung hatte Freispruch gefordert. Engel, der das Urteil gefasst aufnahm, wollte den Richterspruch nicht kommentieren.

Exekution als 'Vergeltungsmaßnahme'

Der SS-Mann war zur Tatzeit im Mai 1944 Leiter das Außenkommandos des Reichssicherheitsdienstes (SD) in Genua. Die Exekutionen in der Nähe von Genua waren als Vergeltung für einen Partisanen-Anschlag auf ein deutsches Soldatenkino, bei dem fünf Soldaten getötet worden waren, befohlen worden. Engel hatte die Schuld stets bestritten sich auf Befehlsnotstand berufen. Hitler habe für solche Fälle eine Vergeltung im Verhältnis zehn zu eins angeordnet.

Derartige Erschießungen waren nach Einschätzung des Gerichts im Zweiten Weltkrieg gewohnheitsrechtlich gedeckt. Allerdings sei im vorliegenden Fall die »Humanitätsschranke« überschritten worden, betonte Seedorf. Die italienischen Gefangenen wurden an einer Grube erschossen und fielen nach der Erschießung auf die Leichen der vor ihnen Getöteten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Opfer die Tötung vorher mitanhören und teilweise auch mitansehen mussten. »Einen Befehl für eine Tötung auf diese Art haben Sie nicht erhalten«, sagte Seedorf zu Engel.

Halbes Jahrhundert Untätigkeit

Seedorf erklärte die Herabsetzung des Strafmaßes vom üblichen »lebenslänglich« auf nur sieben Jahre unter anderem mit der langen Zeitspanne zwischen Tat und Urteil. Die Strafverfolgungsbehörden seien ein halbes Jahrhundert lang untätig gewesen. »Der Fall lag in der Obhut der italienischen Strafverfolgungsbehörden, und es ist nichts geschehen«, betonte der Richter. Ohnehin seien, sollte Engel die Haftstrafe tatsächlich verbüßen müssen, in Anbetracht seines Alters die sieben Jahre einer lebenslänglichen Haft gleichzusetzen.

Ermittlungen liefen seit 1998

Engel war bereits 1999 in Abwesenheit von einem italienischen Gericht wegen 246-fachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er lebte seit Kriegsende weitgehend unbehelligt in Hamburg. Die Staatsanwaltschaft in der Hansestadt ermittelte seit 1998 gegen ihn

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