Bundestagswahl 2021 Tiefschlag für Armin Laschet – und plötzlich scheint ein Kanzler Scholz möglich

Armin Laschet boxt im Boxcamp Gallus in Frankfurt
Lernt das Zurückschlagen: CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet während eines Wahlkampftermins im Frankfurter Boxcamp Gallus
© Armando Babani / AFP / DPA
Ins Rennen um das Kanzleramt ist Bewegung geraten. Während Armin Laschet und der CDU wieder der Verlust der Regierung droht, schleicht ein anderer Kandidat auf leisen Sohlen Richtung Macht. 

Am Tag, an dem ihm das RTL/n-tv-Trendbarometer einen üblen Tiefschlag versetzte, übte Armin Laschet das Zurückschlagen. Mit blauen Boxhandschuhen demonstrierte der CDU-Kanzlerkandidat während eines Wahlkampftermins im Frankfurter Boxcamp Gallus Kampfeswillen.

Den wird der CDU-Kanzlerkandidat brauchen. Minus drei Prozentpunkte für CDU/CSU, der Abstand zu den Konkurrenten ist zusammengeschmolzen. Laschet selbst im Vergleich der Kanzlerkandidaten abgeschlagen an letzter Stelle, sogar deutlich hinter der zuletzt ein wenig abgetauchten Grünen Annalena Baerbock. "Wir müssen endlich zu einem politischen Wahlkampf kommen", forderte Laschet beschwörend aus dem Boxring heraus.

SPD-Politiker Olaf Scholz
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Kanzler-Frage: Momentum bei Olaf Scholz

Doch die Erfahrung lehrt: Je näher eine Wahl rückt, umso mehr richtet sich die Aufmerksamkeit auf die jeweiligen Spitzenkandidaten. Und da liegt das Momentum jetzt bei Olaf Scholz. Während Laschet und Baerbock sich gleich mehrere Fauxpas leisteten, hat sich der Vize-Kanzler auf leisen Sohlen die mit Abstand größte Zustimmung bei Wählerinnen und Wählern erarbeitet. Keine blöden Lacher an falscher Stelle, keine geklauten Zitate in den eigenen Büchern.

Nüchternheit und Sachlichkeit kommen à la longue hierzulande besonders gut an. Das ist keine Neuigkeit. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) demonstriert das seit vielen Jahren erfolgreich. Für SPD-Mann Scholz heißt das: Jetzt bloß kein Skandal oder Skandälchen. Dazu passt, dass ein als Negative Campaigning und katholikenfeindlich kritisierter Wahlkampfspot aus dem Verkehr gezogen wird. Und den Wirecard-Skandal bringen die Wähler:innen einfach nicht mit Scholz in Verbindung; zu komplex scheint die Materie. 

Genossen sehen sich schon im Scholz-Zug ins Kanzleramt

Persönlich punktet Scholz schon länger. Neu ist, dass der bisherige "Kandidat ohne Partei" beginnt, der SPD Umfrage-Flügel zu verleihen. Die drei Punkte, die Laschet und die Union einbüßten, landeten komplett bei den Sozialdemokraten. Die liegen nun nur noch einen Punkt hinter den auf gutem Niveau stagnierenden Grünen, verzeichnen gar das beste Umfrage-Ergebnis seit rund drei Jahren. Erstmals wäre danach sogar eine grün-rot-rote Mandatsmehrheit möglich. Auf einmal scheint gar der große SPD-Traum Wirklichkeit werden zu können: ein Bundeskanzler namens Olaf Scholz. Der hat das ja immer gesagt, und so wähnen sich die Genossen schon im Scholz-Zug ins Kanzleramt. Der Hashtag "#ScholzPacktDasAn" trendet auf Twitter. Dass beim letzten Mal der Schulz-Zug auf dem Abstellgleis landete – vergessen.

So ist das wohl im Wahlkampf 2021: Da eine Wiederwahl von Angela Merkel nicht möglich ist, wechseln Trends und Farbenspiele von Woche zu Woche, von Umfrage zu Umfrage. Wer am Mittwoch Stimmung und Berichterstattung aufsaugte, konnte meinen: Aus dem Dreikampf ums Kanzleramt ist ein Zweikampf Scholz versus Laschet geworden. Dabei hat der Kandidat mit der größten Zustimmung (Scholz) immer noch die Partei mit den schwächsten Werten hinter sich und der Kandidat mit der geringsten Zustimmung (Laschet) immer noch die Partei mit den stärksten Werten. Dazwischen: die Grünen und Annalena Baerbock.

Grüne wollen nächste Regierung anführen

Trotz "rumpligen" letzten Wochen wollen die weiter die nächste Bundesregierung anführen, wie Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner im n-tv-"Frühstart" am Mittwoch einmal mehr betonte. Vor den entscheidenden Wochen "sei alles drin", mit 20 Prozent habe seine Partei eine gute Ausgangsposition. Die SPD habe nur "Olaf Scholz, aber ansonsten hat sie Olaf Scholz, Olaf Scholz und Olaf Scholz." Das große, "wahlentscheidende" Thema, den Klimaschutz, sieht Kellner bei seiner Partei, Scholz und auch Laschet hätten dagegen die Zeichen der Zeit nicht erkannt, glaubt er. Kellner spricht von einem "starken Team, angeführt von Robert Habeck". Erst danach erwähnt er die "starke Spitzenkandidatin und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock".

Zufall? Möglich. Trotzdem wirkte es zuletzt so, als hätten die Grünen Baerbock nach der Rumpel-Phase aus der Schusslinie genommen. Beim Startschuss zum heißen Wahlkampf vergangenen Montag in Hildesheim stand sie an vorderster Front, hatte aber auch Robert Habeck an ihrer Seite. Die Flutgebiete besuchte Baerbock zwar, machte daraus aber keinen Medienauftritt. Klug, wenn man sich an Laschets peinliche Lacher in Erftstadt-Blessem erinnert. Defensiv im Vergleich zu Scholz, der sich in überschwemmten Orten in Bayern geschickt an der Seite von CSU-Mann Markus Söder zeigte. Zuletzt fiel die 40-Jährige dennoch auf, als sie sich ausgerechnet bei der Vorstellung des Klima-Sofortprogramms im Oderbruch wähnte, während man doch im Moorgebiet des Biesenthaler Beckens stand. Sie sehe "Brandenburg vor lauter Bäumen nicht", titelte der "Tagesspiegel". Baerbock kandidiert in Brandenburg; im selben Wahlkreis wie Olaf Scholz.

46 Prozent wollen weder Baerbock noch Laschet noch Scholz

Armin Laschet boxte sich am Mittwoch durch seinen Wahlkampftermin. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er die Symbolik des Zurückschlagens selber nicht so ernst nehmen konnte. Laschet ist eben Rheinländer. Dass die Wahl zu Gunsten des CDU-Kandidaten bereits entschieden sei, hatte unlängst Christian Lindner gesagt. Der FDP-Chef kann sich glücklich schätzen, dass er damit offenbar falsch lag. Ob Ampel, Deutschland oder Jamaika – seine Partei scheint derzeit die meisten Machtoptionen in einem Dreierbündnis zu haben. Und ein Dreierbündnis wird immer wahrscheinlicher, wenn es in Umfragen nicht einmal für Schwarz-Grün reichen würde.

Ein weiterer Umfragewert legt nahe, dass Lindner mit seiner Einschätzung wohl falsch liegt: Satte 46 Prozent der Wähler:innen geben im RTL/n-tv-Trendbarometer an, keinem der drei Kanzlerkandidat:innen die Regierungsgeschäfte zuzutrauen. Was das für die Abstimmung Ende September bedeutet? "Diese Wahl wird offensichtlich ein Thriller", so Grünen-Geschäftsführer Kellner auf n-tv, "alles ist drin." 

Verwendete Quellen: n-tv; "Tagesspiegel"; Nachrichtenagenturen DPA und AFP