Hans-Martin Tillack Korruptionsbekämpfung, ganz diplomatisch

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bekämpft Korruption im eigenen Haus auf innovative Weise. Er geht gegen belastete Beamte erst vor, wenn sie den Betrug selbst bestätigen.

Vor einem Monat konnte Steinmeier es im stern lesen: Gleich gegen mehrere seiner Beamten im Generalkonsulat Atlanta liegen schwere Vorwürfe vor. Konsularbeamte sollen unzulässig und auf eigene Rechnung Zimmer in einer vom Steuerzahler bezuschussten Wohnung untervermietet haben, Renovierungsaufträge an sich selbst erteilt haben und einiges mehr.

Ein Großteil der Vorwürfe lag dem Außenministerium schon seit geraumer Zeit vor, aber das Ministerium zog erst nach der stern-Veröffentlichung Konsequenzen. Einen hohen Beamten des Generalkonsulats ließ der Minister suspendieren und gegen ihn ein Disziplinarverfahren eröffnen. Er hatte eine Rechnung für ein Abendessen mit hohen Beamten der US-Grenzbehörden eingereicht, das so offenkundig nie stattfand.

Der stern hatte bei den angeblichen US-Gästen nachgefragt - und einer bestätigte, dass er und seine Frau bei dem angeblichen Abendessen gar nicht dabei waren. Nur eine persönliche Verfehlung? Nein, auch eine Gefahr für jeden deutschen Bürger, der in den Südosten der USA reist und dort die Hilfe der deutschen Behörden braucht. Wie sollen die deutschen Konsularbeamten mit Autorität gegenüber den Behörden ihres Gastlandes auftreten, wenn sie dabei erwischt werden, die Namen der US-Beamten für krumme Touren zu missbrauchen?

Noch beunruhigender: Alle anderen Vorwürfe, über die der stern berichtet hatte, sieht das Ministerium weiter als nicht bewiesen an - trotz des Vorliegens von Belegen. So verfügt das AA seit geraumer Zeit über ein Schreiben eines ehemaligen Untermieters einer Konsularbeamtin in Atlanta, wonach diese bis zu 500 Dollar Untermiete kassierte habe - für Zimmer in einer Mietwohnung, für die die Beamtin Mietzuschüsse des AA kassierte. Trotzdem wies das Ministerium den Vorwurf der unzulässigen Untermiete als "substanzlos"zurück. Interne Begründung: Es fehle die Bestätigung der beschuldigten Beamtin, dass die Untermietverhältnisse existierten.

Was lernen wir? Bei Steinmeier müssen beschuldigte Beamte selbst bestätigen, dass sie betrogen haben. Wenn sie die Sache bestreiten, lässt man sie in Frieden. Auch an eine Verschärfung der laxen Kontrollen im Außenministerium ist offenbar nicht gedacht - das Ministerium kündigt Inspektionen in seinen Auslandsvertretungen mehr als ein Jahr vorher schriftlich an. Wer gerne im Dienst schummelt, für den scheint das AA ein angenehmer Arbeitgeber.

Nicht vorwerfbar ist aus Sicht des AA auch das Verhalten von Generalkonsul Hans-Jörg Brunner. Er hatte sich gegenüber einem hausinternen Kritiker per E-Mail vom 4.April 2006 geweigert, ein den Kritiker angeblich belastendes Schreiben zu übermitteln. Das Dokument bleibe in seinem "Panzerschrank", schrieb der Generalkonsul. Das gelte weiter - so lange es keinen "Grund" gebe, dass andere davon erfahren sollten.

Aus Sicht des AA ist diese Art von Personalführung nicht zu kritisieren. Muss wohl heißen: Wer Missstände im Dienst kritisiert, für den ist das AA ein weniger angenehmer Arbeitgeber.