Rainer Brüderle, unser Wirtschaftsminister, hat es durch beharrliches Interviewgeben zum Helden des Sommerlochs gebracht. Keiner, so scheint es, kann ihn stoppen.
Mal war es Kritik an der Rentengarantie, mal sein Vorstoß, mehr ausländische Fachkräfte ins Land zu holen. Der FDP-Mann war auf allen Kanälen, jedenfalls bis sein Parteichef Guido Westerwelle ihn am Mittwoch mit dem von ihm nie gehörten Eingeständnis übertraf, manche Kritik der Zeitungen an ihm sei eventuell berechtigt gewesen.
Aber Brüderle kann auch schweigen, gerne im falschen Moment. Und auch da kann ihn keiner stoppen. Besser gesagt: Der, der es könnte, der will es nicht.
Aber eins nach dem anderen. Es war im März, als Westerwelle Schlagzeilen machte, weil er als Außenminister wiederholt Großspender der FDP in seine Reisedelegationen aufgenommen hatte. Damals richtete die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch von der Linkspartei eine nahe liegende Anfrage an die Bundesregierung: wer denn alles bei Brüderles Auslandsreisen als Wirtschaftsminister in die Delegationen aufgenommen worden sei?
Sie erfuhr es nicht. Die Namen wollte das Ministerium – anders als übrigens zuvor Westerwelles Außenamt – nicht verraten. Brüderles Parlamentarischer Staatssekretär Hans-Joachim Otto ließ sich nur herab, Zahlen zu nennen: 14 Wirtschaftsvertreter seien auf einer China-Reise dabei gewesen, vier auf einem darauf folgenden Russland-Trip.
Die Fraktion der Linkspartei beschwerte sich deshalb ganz offiziell bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Doch der wollte seinen Paramentarierkollegen nicht helfen. Gewiss, er habe sich „bereits mehrfach gegenüber der Bundesregierung dafür eingesetzt, dass dem verfassungsrechtlich verbürgten Informationsanspruch der Abgeordneten in geeigneter Weise Rechnung getragen wird“. Aber im Fall Brüderle sei sein Engagement nicht gefragt, urteilte der Parlamentspräsident. Denn es handele sich hier um keinen „offensichtlich groben Verstoß gegen die Antwortverpflichtung, etwa durch eine offenkundig und augenscheinlich falsche Antwort“, schrieb Lammert dieser Tage der Fraktion der Linkspartei.
Der Christdemokrat hatte übrigens die Stirn, sich kurz darauf in einem Interview mit der dpa mit beachtlichem Trara für eine intensivere Befragung der Regierung durch das Parlament auszusprechen. Besonders ernst genommen werden will er mit solchen Vorstößen offenkundig nicht. Dazu passt, dass ihm das Ansehen des Bundestages generell nicht sehr am Herzen zu liegen scheint. Im selben Interview wandte er sich nämlich auch dagegen, einen alten Schandfleck zu beseitigen und die Bestechung von Abgeordneten endlich so umfassend unter Strafe zu stellen, wie das in anderen westlichen Demokratien üblich ist – und wie es eine UNO-Konvention seit Jahren auch von Deutschland verlangt. Folge man der Forderung der UNO, schaffe man nur ein Klima der ständigen Verdächtigungen, wehrte sich Lammert. Wie schon in der Debatte um die Nebentätigkeiten der Bundestagsmitglieder trat der Politiker weniger als Vorsitzender einer Volksvertretung auf – sondern eher wie der Chef der Interessengemeinschaft der mit der Wirtschaft verbandelten Abgeordneten.
Denn, wie argumentierte Lammert? „Passive Bestechung“ von Parlamentarien sei eh nur schwer nachzuweisen.

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Wie beruhigend. Und wie schön für Brüderle, dass Lammert auch ihm lieber nicht nachweisen möchte, welchen Wirtschaftskapitänen der Wirtschaftsminister die Ehre einer Einladung erweist.