Überfall auf Zeltlager Mehr als zwei Jahre Haft für Neonazi

Als die Rechtsradikalen zuschlugen, lagen die Mitglieder einer Jugendgruppe der Partei "Die Linke" in ihren Zelten und schliefen. Ein Mädchen erlitt dabei schwere Kopfverletzungen. "Mann, war das geil", zeigte sich ein 19-Jähriger kurz nach der Tat per SMS begeistert. Nun muss er für mehr als zwei Jahre ins Gefängnis.

Der 19 Jahre alte Gewalttäter bleibt unbeteiligt bis zuletzt. Auch als der Richter ihm eröffnet, dass er für mehr als zwei Jahre ins Gefängnis muss, blickt der junge Mann aufmerksam, freundlich, aber auch ein bisschen so, als ginge es nicht um ihn. Das Kasseler Landgericht hat ihn am Montag zu zwei Jahren und drei Monaten Haft für den Überfall auf ein linkes Jugendcamp in Nordhessen verurteilt. Dabei hatte er unter anderem auf eine 13- Jährige eingeschlagen.

Der Tathergang ist kaum umstritten: Sieben junge Leute hatten an einem Samstagabend im Juli Bier, Apfelwein-Cola und zum Schluss noch Jägermeister "auf Ex" getrunken, dann beschlossen sie, "die Linke aufzumischen". Dazu fuhren sie zu einem Zeltplatz am Neuenhainer See, wo gerade "Solid", die Jugendgruppe der Partei "Die Linke" zeltete. Davon wussten die jungen Männer, weil sie die Gruppe schon zuvor ausspioniert hatten.

"Mann, war das geil"

Die sieben jungen Männer warfen zunächst Heckscheiben und Rücklichter von Autos ein und klauten ein Transparent. Dann stiegen zwei über den 2,50 Meter hohen Zaun, irgendwie hatte der 19-Jährige dann eine Glasflasche und einen Klappspaten in der Hand. Das erste Zelt mied er - es war einsehbar. Im nächsten schlug er mit Flasche und der flachen Seite des Spatens auf zwei Schlafende ein. Fünf, sechs Schläge trafen die 13-jährige Sophia-Lina und ihren Halbbruder. "Mann, war das geil", sollte er später einem Freund per Kurznachricht mitteilen.

Da lag Sophia-Lina schon im Krankenhaus. Während ihr zehn Jahre älterer Halbbruder mit ein paar Prellungen und Schürfwunden davongekommen war, hatte das Mädchen schwere Kopfverletzungen erlitten. Und: "Sie leidet seitdem unter Angstzuständen", sagt ihr Vater.

Als der Täter vom Alter des Mädchens hörte, legte er bei der Polizei ein Geständnis ab. Das habe er nicht gewollt, es tue ihm leid, entschuldigte er sich im Prozess bei beiden Opfern.

Eine Art Kriegsspiel

Das Gericht nimmt dem Verurteilten seine Geschichten nicht ab - vor allem nicht, dass er betrunken gewesen sei. Der 19-Jährige habe sich maskieren, den 2,5 Meter hohen Zaun überwinden und sein Ziel sorgfältig aussuchen können. "Das ist überlegtes Handeln. Eine Enthemmung durch Alkohol war ohne Zweifel da, eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit aber nicht." Zwar habe sich der Angeklagte in der Untersuchungshaft "positiv entwickelt" und einem Täter-Opfer-Ausgleich zugestimmt. Eine wirkliche Distanzierung wird aber vermisst. "Für ihn war es eine Art Kriegsspiel", sagt der Richter.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Verurteilt wird der junge Neonazi schließlich wegen zweifacher gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung. Eine Verurteilung wegen versuchten Mordes lehnte das Gericht ab. Er habe nicht mit aller Kraft zugeschlagen, Hinterlist und Vorsatz seien nicht bewiesen. Der Verteidiger weiß noch nicht, ob sein Mandant in Revision geht. Auch die Anwälte der Opfer waren noch unentschieden, ob sie eine Verurteilung wegen versuchter Tötung erwirken sollten.

DPA
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