Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel hat den Forderungen parteiinterner Konkurrenten nachgegeben und sich für eine enge Zusammenarbeit mit dem CDU-Finanzexperten Friedrich Merz nach der Wahl bereit gezeigt.
"Angesichts der Lage unseres Landes brauchen wir jeden, der mithilft", sagte sie am Mittwoch nach einem Treffen mit ihrer Wahlkampfmannschaft, zu der sich auch CSU-Chef Edmund Stoiber gesellt hatte. "Das heißt dann auch nicht entweder oder, sondern das heißt, alle werden gebraucht", so die CDU-Vorsitzende. Merkel reagierte damit auf die Äußerungen ihres Wunschkandidaten für den Finanzministerposten, Paul Kirchhof, der sich für eine enge Zusammenarbeit mit Merz ausgesprochen hatte. "Ich brauche sowohl Paul Kirchhof als auch Friedrich Merz", sagte sie weiter.
Verhältnis stark angespannt
Welchen Posten Merz bei einem Regierungswechsel übernehmen könnte, ließ Merkel allerdings offen. Ihr Verhältnis zu Merz gilt als stark angespannt, seitdem sie ihn vor rund drei Jahren vom Unions-Fraktionsvorsitz verdrängt hatte und Merz im vergangenen Jahr seinen Stellvertreterposten aufgab. Merkels potenzieller Koalitionspartner FDP begrüßte die angekündigte Zusammenarbeit von Kirchhof und Merz.
Merkel bekräftigte, sie wolle den parteilosen Kirchhof nach einem Wahlsieg zum Bundesfinanzminister machen. Sie wich aber der Frage aus, wie die von Kirchhof überraschend ins Gespräch gebrachte "Tandemlösung" mit dem Finanzpolitiker Merz konkret aussehen könnte. "Die Intensität der Kooperation am Fahrmittel festzumachen, halte ich für problematisch." Merkel verwies aber auch auf andere Politikfelder, in denen sie auf verschiedene Experten der Unionsparteien setze. So zähle sie etwa in der Innenpolitik sowohl auf den bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU), der zu ihrem Wahlkampfteam gehört, als auch auf den Innenexperten der Unions-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach (CDU). "Ich bin froh über jeden und jede."
Ein Job für Merz muss noch gefunden werden
Unklar ist unter Spitzenvertretern der Union bislang, welchen Posten Merz übernehmen könnte. Der Finanzexperte, der die Grundzüge der im Unions-Wahlprogramm angekündigten Pläne zur Absenkung der Eingangs- und Spitzentarife in der Einkommensteuer und zur Streichung von Steuervergünstigungen erarbeitet hatte, hat sich zur Mitarbeit bereit erklärt. Es gilt aber als wenig wahrscheinlich, dass sich der populäre Sauerländer etwa mit einem Staatssekretärsposten zufrieden geben würde.
Der Wirtschaftsexperte in Merkels Wahlkampfmannschaft, der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, sagte, die Union habe mit Merz und Kirchhof die profiliertesten Reformer in der Steuer- und in der Finanzpolitik in Deutschland. "Das ist ein großartiges Pfund, mit dem wir in den letzten Tagen wuchern wollen." Merkel werde nach der Wahl über die Rolle für Merz entscheiden. Thüringens Regierungschef Dieter Althaus gab sich zuversichtlich, dass Merkel und Merz persönliche Differenzen ausräumen könnten: "Wenn es einen Konflikt gibt, lässt sich jeder Konflikt überwinden. Einen inhaltlichen Konflikt hat es ja nicht gegeben."
Mehrere parteiinterne Widersacher Merkels wie etwa Hessens Ministerpräsident Roland Koch hatten in der Debatte um Kirchhofs umstrittene Reformkonzepte in der Steuer- und Rentenpolitik eine Rückkehr von Merz in ein Spitzenamt gefordert. Kirchhof wird von Meinungsforschern mit dafür verantwortlich gemacht, dass Union und FDP in Umfragen nicht mehr die für einen Regierungswechsel erforderliche Mehrheit erhalten. Der als wirtschaftspolitischer Ratgeber von Merkel vorgesehene Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer warf Kirchhof vor, die Wähler zu irritieren. Indem Kirchhof für sein radikales Konzept mit einer Einheitssteuer von 25 Prozent anstatt für die milderen Vorstellungen der Union geworben habe, habe er für Verwirrung in der Öffentlichkeit gesorgt, sagte von Pierer der "Financial Times Deutschland". Kirchhof habe dabei auch den Sozialdemokraten eine Angriffsfläche geboten.

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SPD und Grüne sprechen von Degradierung Kirchhofs
Der stellvertretende FDP-Chef Rainer Brüderle begrüßte die angekündigte Zusammenarbeit der beiden Finanzexperten. "Wenn Merz und Kirchhof jetzt Hand in Hand arbeiten, ist das für den Wahlkampf positiv", sagte Brüderle der Nachrichtenagentur Reuters.
SPD und Grüne sprachen von einer Degradierung Kirchhofs, den sie wegen seiner radikalen Reformkonzepte wochenlang massiv angegriffen hatten. Spitzenpolitiker von SPD und Grünen warfen Merkel vor, die Kontrolle verloren zu haben und von Kirchhof abzurücken. Merkel sei ohne Führungskompetenz. erklärte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Kurt Beck. "Die Ministerpräsidenten der Union tanzen ihr auf der Nase herum." Merkel sei innerparteilich mit ihrem Finanzexperten Kirchhof gescheitert. "Würde die Union weiter zu Paul Kirchhof stehen, dann hätte Frau Merkel ihn ganz offensiv mit auf die Pressekonferenz genommen", sagte der stellvertretende SPD-Fraktionschef Joachim Poß.