Vaterschaftstests Verunsicherte Väter in Panikstimmung

Die Diskussion über Vaterschaftstest und das Urteil des Bundesgerichtshofs haben bei Vätern für große Verunsicherung gesorgt. Die Angst vor einem Verbot löste einen wahren Ansturm auf Labore aus.

"Mütter lieben ihre Kinder mehr, als Väter es tun, weil sie sicher sein können, dass es ihre sind." Mit dem Zitat von Aristoteles wirbt das Wiesbadener ID-Labor im Internet für Vaterschaftstests. Wie viele andere auf diesem Feld tätige Einrichtungen verzeichnen die dort tätigen Wissenschaftler zurzeit eine vermehrte Nachfrage. Offenbar haben die öffentliche Diskussion über ein Verbot heimlicher Vaterschaftstests und das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) gegen deren Verwertbarkeit vor Gericht verunsicherte Familienväter in eine Art Panikstimmung versetzt.

Die Vaterschaftsfrage noch schnell klären

Michael Ruiss, Vorstandssprecher des nach eigenen Angaben Marktführers Humatrix in Frankfurt am Main, spricht von 10 bis 15 Prozent mehr Aufträgen. Vor allem das Urteil des Bundesgerichtshofs zur eingeschränkten Verwendbarkeit der ohne Wissen der Mutter vorgenommenen Vaterschaftstests habe Verunsicherung ausgelöst. Oft kämen Anfragen mit dem Tenor: "Ist es jetzt schon verboten?" Zwar liegt das von Justizministerin Brigitte Zypries geplante Gesetz gegen die heimlichen Tests noch gar nicht vor, doch wollten viele Männer die Vaterschaftsfrage noch schnell geklärt wissen, bevor es einmal in Kraft trete.

Hintergrund: Vaterschaftstest

Ein Vaterschaftstest, auch Abstammungsuntersuchung genannt, dient der Klärung von familienrechtlichen Beziehungen. Dazu wird von der betreffenden Person nur eine geringe Menge an Körperzellen benötigt, wie sie in Sperma, Blut oder Hautschuppen enthalten sind. Aus ihnen wird eine DNA-Kette (Träger der Erbinformation) mit unterschiedlichen, für jede Person charakteristischen Eigenschaften isoliert und in einzelne Fragmente zerlegt. Ein sachverständiger Arzt fertigt ein Gutachten an, in dem die Gensequenzen des mutmaßlichen Vaters und des Kindes verglichen werden. Der Nachweis oder Ausschluss einer genetischen Verwandtschaft erfolgt durch eine Analyse mehrerer dieser charakteristischen Merkmale. Hieraus lässt sich eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit einer Vaterschaft treffen. Dass sich die Erbmuster zweier Menschen entsprechen, ist dabei sehr unwahrscheinlich. Die Chance liegt zwischen eins zu einigen Millionen und eins zu einigen Milliarden.

Mit einem Vaterschaftstest wird die Wahrscheinlichkeit ermittelt, mit der ein Mann der biologische Vater eines Kindes ist. Im Rechtsstreit um die Vaterschaft wird der Test von gerichtlicher Seite angefordert und dient als wichtigstes Beweismittel.

Dabei versichert Ruiss, sein Unternehmen lehne verunsichernde Werbung ab, etwa mit der Zahl von angeblich 10 bis 15 Prozent so genannten "Kuckuckskinder", die gar nicht von ihren erziehenden Vätern abstammten. Schließlich bestätigten von den rund 10.000 Tests, die Humatrix im Jahr durchführt, 80 Prozent die Vaterschaft und beseitigten so die vorhandenen Zweifel. Jetzt, da wegen der öffentlichen Diskussion vermehrt Leute anfragen, die sonst gar nicht auf die Idee gekommen wären, steigt die Quote der bestätigten Vaterschaften nach seinen Worten sogar auf 85 bis 90 Prozent.

"Wer weiß, ob ich je wieder Gelegenheit dazu habe"

Eine verstärkte Nachfrage seit Beginn der öffentlichen Diskussion über Vaterschaftstests bestätigt auch Kirsten Thelen vom ID-Labor in Wiesbaden. "Wir erhalten schon mehr Aufträge, weil wegen der Verbotspläne offenbar viele denken: Wer weiß, ob ich je wieder Gelegenheit dazu habe", erläutert die Molekularbiologin. Die Steigerung der Nachfrage beziffert sie auf rund 20 Prozent. Das ID-Labor führt jährlich rund 2000 bis 3000 Vaterschaftstests durch, und zwar sowohl für Gerichte als auch für Privatpersonen. Tests ohne Wissen der Mutter machten aber nur rund zehn Prozent der Aufträge insgesamt aus.

Und es gebe ja nicht nur Väter, die solche "heimlichen Vaterschaftstests" machen ließen, sondern durchaus auch Mütter. Das gilt nach ihren Angaben vor allem, wenn sie nach einem Seitensprung auf Nummer Sicher gehen wollten, ohne diesen gleich dem Ehemann beichten zu wollen. Was die Diskussion über gesetzliche Regelungen angeht, plädiert Thelen für einen Kompromiss: Das Recht, Vaterschaftstests in Auftrag zu geben, könne man ja auf Mutter, Vater und Kind beschränken. Auch sie wolle nicht, dass Großeltern, entferntere Verwandte oder gar Außenstehende derartige Untersuchungen in Auftrag geben könnten.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Für Befürchtungen über einen Missbrauch sieht die Mitbetreiberin eines der ältesten auf diesem Sektor tätigen Privatlabore dagegen keinen Grund. Es würden weder sensible Daten erhoben noch gar Erkenntnisse über sonstige genetische Veranlagungen der Betroffenen, versichert Thelen.

Dr. Jürgen Reinhold von Genlab in Würzburg lehnt heimliche Vaterschaftstests dagegen ab. Sein Labor führt Tests in erster Linie ganz offiziell für Gerichte durch. Schließlich sei das vom BGH betonte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ja nicht neu und auch nicht zu bestreiten, sagt er zur Begründung. Die Arbeitsgemeinschaft der Sachverständigen für Abstammungsverfahren, dem Genlab angehört, stehe den ohne Wissen der Mutter durchgeführten Vaterschaftstests insgesamt kritisch gegenüber.

Warnung vor Schlammschlachten

Ganz anders sieht das Henriette Tewes vom Labor "Papacheck" in Geesthacht, die zugleich Vorsitzende der Kooperationsgemeinschaft der freien Sachverständigen für Abstammungsgutachten "Valid" ist. Sie bewertet das BGH-Urteil zur Nichtverwertung der heimlich vorgenommenen Vaterschaftstests äußerst kritisch. Oft sei eine diskrete Klärung für die betroffenen Familien viel weniger problematisch, als wenn sie künftig Schlammschlachten vor Gericht führen müssten, um "triftige Gründe" für einen Vaterschaftstest nachzuweisen.

Auch würden Väter benachteiligt, wenn derartige Tests auf privater Basis nur noch mit Zustimmung der Mutter möglich seien. Hier sei die Gleichberechtigung tangiert, und es bleibe abzuwarten, ob einer der vor dem BGH unterlegenen Väter jetzt wie angekündigt vor das Bundesverfassungsgericht ziehe.

Private Labore für Vaterschaftstests gibt es nach den Worten von Tewes erst seit Ende der 80er Jahre. Der Anteil der Tests ohne Zustimmung der Mütter mache nur einen Bruchteil ihrer Arbeit aus. Sollten sie wegfallen, drohten aber bei einigen Labors Umsatzeinbrüche von 10 bis 15 Prozent, die sicher nicht alle verkraften könnten.

AP
Gerhard Kneier/AP

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