Der SPD-Generalsekretär nahm den eindrucksvollen Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen die Ukraine als günstiges Omen. »Gestern 4 zu 1 für uns. Das macht mich zuversichtlich, dass wir Morgen auch ein gutes Ergebnis haben werden«, verbreitete Franz Müntefering bei der Vorstellung des dicken Antragsbuchs zum Parteitag bereits Siegerlaune.
Doch die knapp 400 Anträge, über die über 500 Delegierten in den nächsten Woche in Nürnberg beschließen wollen, blieben erst einmal Nebensache. Die Spannung richtete sich auf den Ausgang der Vertrauensabstimmung und das Schicksal der rot-grünen Koalition.
Gerüstet fühlt sich das rot-grüne Lager für den bislang schwierigsten Tag in der an Höhen und Tiefen reichen dreijährigen Regierungszusammenarbeit. Voraussichtlich werden zumindest alle 341 Koalitions-Abgeordnete an Bord sein. Gila Altmann von den Grünen und ein SPD-Kollege wollen trotz ernster Erkrankung zu der Abstimmung nach Berlin kommen. Und bei den Sozialdemokraten setzt man darauf, dass die Wehen ihrer hochschwangeren hessischen Abgeordneten Nina Hauer nicht ausgerechnet in Schröders Schicksalsstunde im Plenarsaal einsetzen.
Dass es knapp werden wird und eigentlich jede Stimme in der Koalition gebraucht wird, war seit Tagen allen klar. Doch am Donnerstag machte sich bereits vorsichtige Erleichterung breit. Die eigene Koalitions-Mehrheit für den Militäreinsatz, die zunächst unerreichbar schien, scheint jetzt einigermaßen sicher zu stehen. Bei der SPD zeigte eigentlich nur noch die
Schwarzwälderin Christa Lörcher Bereitschaft, beim angekündigten Nein zu bleiben. Und bei den Grünen wollten noch drei bis vier Fraktionsmitglieder an dieser Linie festhalten.
»Mehrheit ist Mehrheit«
Fünf Gegenstimmen, dies würde auch die SPD-Spitze in Kauf nehmen. Auch ein knappes Ergebnis könne man akzeptieren, denn: »Mehrheit ist Mehrheit«, gab der SPD-Generalsekretär als Parole aus.
Um die Widerstandsfront gegen den Militäreinsatz in den eigenen Reihen aufzubrechen, erwies sich auf SPD-Seite als einigermaßen hilfreich der Wink aus der Führung mit Guido Westerwelle als möglichen Vize-Kanzler. Ein Zusammengehen mit den Freien Demokraten nach vorgezogenen Neuwahlen wäre nicht nur für SPD-Linke, sondern auch für meisten anderen in der Fraktion eher eine politische Zumutung. Angesichts der FDP-Positionen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik ist für die Mehrheit der SPD-Parlamentarier die Neuauflage einer sozialliberalen Koalition derzeit ziemlich unvorstellbar. Vieles spricht dafür, dass dies der Kanzler auch so sieht, selbst wenn er ein entspanntes Verhältnis zu den Liberalen demonstrieren muss - für den Fall, dass es nach der Bundestagswahl für Rot-Grün nicht mehr zur Mehrheit reichen sollte.
Der Öffentlichkeit nur schwer zu vermitteln
Eigentlich hätte es Schröder durchaus ins Konzept gepasst, mit Neuwahlen nach einer verlorenen Vertrauensabstimmung die

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Opposition in große Verlegenheit zu stürzen. Eigentlich fühlt sich nur die SPD dazu in der Lage, einen Wahlkampf aus dem
Stand heraus zu führen. Doch in der SPD-Spitze wurde verworfen, diese Option offensiv in Angriff zu nehmen. Ein neues Bündnis mit den Grünen, die vorher dem Kanzler die Unterstützung versagt haben, wäre der Öffentlichkeit nur schwer vermittelbar gewesen.
Falls die sich abzeichnende Koalitionseintracht im Bundestag hält, wollen der Kanzler und seine Partei sich erkenntlich zeigen. Der Nürnberger SPD-Bundesparteitag dürfte dann zu einer Art Rot-Grün-Revival-Veranstaltung werden. Und bei den Sozialdemokraten hofft man, dass sich die Grünen am übernächsten Wochenende bei ihrem Kongress in Rostock entsprechend revanchieren werden.
Als Erpressungsversuch interpretiert
An der Basis ist der Unmut jedenfalls groß. Nicht nur haben sich die meisten Landesverbände gegen den Kriegseinsatz ausgesprochen. Auch die als Erpressungsversuch interpretierte Verquickung von Sachfrage und Vertrauensfrage erzürnt die Parteimitglieder. Die Abgeordneten müssten nach ihrem Gewissen entscheiden dürfen, meinte die niedersächsische Grünen-Chefin Heidi Tischmann in der »Bild«-Zeitung. Die Sprecherin der Grünen-Organisation »Basis-Grün« in Baden-Württemberg, Sylvia Kotting-Uhl, warnte im selben Blatt sogar davor, dass eine Zustimmung zum Bundeswehreinsatz der Partei das Genick brechen werde. Für den Landesvorsitzenden der bayerischen Grünen, Gerald Häfner, kommt die Abstimmung im Bundestag wegen der Vertrauensfrage einer »Frage über Sein und Nichtsein der Grünen« gleich.