Wahlkampfabschluss in Hessen Für Spannung sorgt einzig die FDP

Seit Wochen sagen die Prognosen einen Unions-Triumph und eine verheerende SPD-Niederlage vorher. Doch Umfragen sind noch lange kein Wahlergebnis – in diesem Punkt sind sich Roland Koch und sein SPD-Herausforderer Gerhard Bökel einig.

In einem sind sich Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und sein SPD-Herausforderer Gerhard Bökel nach außen hin einig: Umfragen sind noch lange kein Wahlergebnis. Bei ihren Großkundgebungen zum Wahlkampfabschluss beschworen sie ihre Anhänger, den seit Wochen einen Unions-Triumph und eine verheerende SPD-Niederlage vorhersagenden Prognosen nicht zu trauen. Doch während Koch auf dem Frankfurter Opernplatz vor zu großer Siegesgewissheit warnen musste, kämpfte Bökel im Wiesbadener Kurhaus gegen die in der SPD um sich greifende Mutlosigkeit an.

Das gelang dem 56-jährigen Ex-Innenminister ziemlich gut. Sein Satz «Wir sind keine Befehlsempfänger des George W. Bush» riss die Genossen zu Beifallsstürmen hin. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) entschloss sich kurz vor der Wahl zu einer Geste der Unterstützung, nahm seinen hessischen Parteifreund in den Arm und rief in den Saal, dass er Bökel als Ministerpräsident brauche. Der Kanzler übernahm sogar Mitverantwortung für die Stimmungslage: «Ich weiß, dass wir mit den Fehlern, die wir am Anfang gemacht haben, es Gerhard Bökel und anderen nicht leicht gemacht haben.»

Wahlkampf ohne Höhepunkte und Dramatik

Der emotionale Abschluss passte wenig zu einem Wahlkampf, der ohne Höhepunkte und Dramatik geblieben war. Der Trend der Umfragen hatte von Anfang an eine klare Richtung: Die Union startete hoch und legte von da an leicht zu bis um die 50-Prozent-Marke; die SPD ging von niedrigem Niveau aus in den flachen Sinkflug über und streift die 30- Prozent-Linie. Die Grünen hielten sich zweistellig.

Für Spannung sorgte einzig die FDP, die anfangs bei fünf Prozent rangierte. Zwar hat sie inzwischen zwei Punkte hinzugewonnen, doch der Höhenflug der Union macht fraglich, ob sie überhaupt noch zu einer schwarz-gelben Mehrheit gebraucht wird. In dieser Lage nahmen die Liberalen auch den Koalitionspartner aufs Korn: Eine absolute CDU-Mehrheit sei für Hessen fast so schlecht wie eine rot-grüne Koalition.

Der Eintönigkeit der Umfrage-Kurven entsprach das Temperament der Auseinandersetzung: Hatte Ministerpräsident Koch noch im Dezember mit seinem Judenstern-Vergleich einen Sturm der Entrüstung entfacht, so hütete er sich im Wahlkampf vor jeder Provokation, die SPD-Anhänger hätte mobilisieren können. Er setzte auf die politische Großwetterlage und erklärte die Hessenwahl zur Protestwahl gegen rot- grüne Steuer- und Abgabenerhöhungen. Koch und CDU-Chefin Angela Merkel riefen auch am Donnerstagabend in Frankfurt dazu auf, der Bundesregierung am Sonntag einen «Denkzettel» zu verpassen und sie zu einem Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik zu zwingen.

Für Kochs Gegenspieler Bökel verpuffte unterdessen ein Wahlkampf- Thema nach dem anderen. Die Forderung nach einer Vermögensteuer räumte der Bundeskanzler vom Tisch, das Versprechen von 500 Ganztagsschulen erwies sich als zu wenig emotionalisierend, und selbst mit Anti-Koch-Kinospots konnte er den Umfragetrend nicht umkehren. Als letzten Trumpf spielte Bökel die Irak-Karte: Zeitungsanzeigen, Plakate und Unterschriftensammlungen gegen einen neuen Krieg am Golf sollen enttäuschte SPD-Anhänger noch in letzter Minute an die Wahlurnen treiben.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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SPD mit dem größeren Potenzial

So deutlich die jüngsten Umfragen sein mögen: Sie erfassen nicht mehr die letzten Tage vor der Wahl, in denen viele Bürger ihre politische Entscheidung treffen. Noch immer hat die SPD in Hessen das größere Potenzial als die Union, wie die Bundestagswahl zeigte: Da holte die SPD rund 90 000 Stimmen mehr als die CDU.

DPA
Wolfgang Harms