Corona-Pandemie Wie der Ethikrat die Debatte um Impfprivilegien beendet hat

Sollen Menschen, die gegen Corona geimpft wurden, ihre Rechte zurückerhalten? Diese Frage hat der Ethikrat versucht zu beantworten. Herausgekommen ist die einzig sinnvolle Antwort: Ja und Nein. Damit dürfte die Diskussion beendet sein.

Der Begriff Privilegien hat in den vergangenen Jahren eine interessante Karriere gemacht. Eigentlich steht das Wort für Sonder- oder Vorrechte. Ein Dienstwagen zum Beispiel kann ein Privileg sein, das Männer-Wahlrecht, wie vor langer Zeit üblich, war einmal genauso eines wie es heutzutage Kinderkrankentage für Eltern sind. Privilegien stehen für eine gewünschte Ausnahme, aber nicht für die Regel, sonst wären sie keine Privilegien, sondern "Normalität". Allerdings haben akademische und linke Kreise die Bedeutung vor einiger Zeit einfach umgedreht und seitdem gilt bereits jeder als "privilegiert", der nicht regelmäßig  benachteiligt oder diskriminiert wird. Privilegien sind so zum schiefen Totschlagargument für eine richtige Sache verkommen.

Warum dieser Exkurs in die Welt der Identitätspolitik? Weil sich der Deutsche Ethikrat nun genau zum Wort "Privileg" geäußert hat: "Ich würde mich freuen, wenn man den Begriff nicht mehr benutzen würde", sagte die Ratsvorsitzende Alena Buyx. Er sei unpräzise und sorge für eine unnötige Verschärfung der öffentlichen Debatte. Dabei ging es ihr und ihren Ethik-Kollegen genau um das - Privilegien. Nämlich um die Frage, ob für Menschen die gegen Corona geimpft sind, weiterhin noch Beschränkungen gelten sollten. Die Antwort des Ethikrates darauf lautet: eher nicht, jedenfalls nicht immer und überall.

Grundlegende Rechte sind kein Privileg

Dass der Ethikrat in seiner Stellungnahme das "P-Wort" meidet, ist eine kluge Entscheidung. Denn es sollte und darf niemals ein "Privileg" sein, einfach nur grundlegende Rechte zurückzuerhalten. Alena Buyx und die ihre Experten- und Expertinnenrunde haben sich in ihrer Stellungnahme pragmatisch mit dem Thema Sonderregeln für Geimpfte befasst. Einerseits spricht sich der Rat gegen "eine individuelle Rücknahme der Maßnahmen" aus, andererseits könne er sich durchaus vorstellen, dass etwa private Konzertveranstalter nur Geimpften den Zugang erlaubten. "Daraus ergibt sich aber keine Impfpflicht durch die Hintertür", so Buyx, denkbar wären etwa Tests als Alternative.

Dieses gepflegte Sowohl-als-auch des Ethikrats ist nicht mehr als eine Schmeichelei für die pandemie-gequälte deutsche Seele: Diejenigen hierzulande, die es nicht sonderlich schätzen, wenn jemand aus der Menge herausragt (also leider die meisten) empfehlen die Sachverständigen die Gleichbehandlung aller Bürger. Auch Profi-Sportler, die längst nicht alle so privilegiert sind wie Bundesliga-Fußballer, sollen nicht bevorzugt geimpft werden. Das dürfte Beifall geben.

Firmen planen keine Impfprivilegien

Doch die Virenwelle ist zu vielschichtig für eine reine Neidvermeidungstrategie. Extrawürste werden deshalb trotzdem serviert. Für Unternehmen, weil die ihre Kunden selbst aussuchen können. Oder dürfen. Alles andere wäre übrigens auch gesetzeswidrig. Bislang aber scheint kaum eine Firma gewillt zu sein, ein "Ungeimpfte müssen leider draußen bleiben"-Schild vor die Türen zu hängen. Weder die Bahn, noch die Tui oder Hotels und Gaststätten verfolgen solche Pläne, wie die bereits verkündet haben.

Kurzum: Die Stellungnahme des Ethikrats zeigt, beabsichtigt oder nicht, dass die Frage nach "Imfpprivilegien Ja oder Nein?" eigentlich nur mit einem klaren Jein beantwortet werden kann. Wie das der Kollege Tim Sohr auch schon Ende vergangenen Jahres beschrieben hat.

Die Diskussion darüber war sicher als theoretisches Gedankenspiel interessant, aber in der Wirklichkeit zerschellt sie schon an den vielen ungeklärten Umständen. Etwa die Fragen nach Impfgerechtigkeit, der Zugang zu Vakzinen generell oder die mögliche Ansteckungsgefahr Geimpfter. Besondere Regeln für Geimpfte wird es also erst einmal nicht geben. Schade, denn sie wären ein schönes Experiment gewesen: Über die Toleranz der Deutschen, einer möglichen "Gönnkultur" und der Fähigkeit, Unterschiede auch einfach aushalten zu können.

nik