Personen: Angela, Guido. Erster Akt. Landstraße. Ein Baum. Abend.
Angela: Was sollen wir also machen?
Guido: Gar nichts. Das ist klüger.
Angela: Warten wir ab, was er uns sagen wird.
Guido: Wer?
Angela: Godot.
Guido: Ach ja.
Angela: Warten wir ab, bis wir Bescheid wissen.
Guido: Andererseits wäre es vielleicht besser, das Eisen zu schmieden, bevor es eiskalt ist.
Angela: Ich bin neugierig, was er uns sagen wird. Es verpflichtet uns zu nichts.
Guido: Worum haben wir ihn eigentlich gebeten?
Angela: Warst du nicht dabei?
Guido: Ich hab nicht aufgepasst.
Angela: Na ja ? Eigentlich um nichts Bestimmtes.
Guido: Eine Art Gesuch.
Angela: Eben.
Guido:Eine vage Bitte.
Angela: Wenn du so willst.
Guido: Und was hat er geantwortet?
Angela: Er werde mal sehen.
Guido: Er könne nichts versprechen.
Angela: Er müsse überlegen.
Guido:In aller Ruhe.
Angela: Seine Familie um Rat fragen.
Guido: Seine Freunde.
Angela: Seine Agenten.
Guido: Seine Korrespondenten.
Angela: Seine Register.
Guido: Sein Bankkonto.
Angela: Bevor er sich äußern könne.
Guido: Das leuchtet ein.
Angela: Nicht wahr?
Natürlich heißen die beiden Hauptdarsteller aus dem Jahrhundertstück des irischen Nobelpreisträgers Samuel Beckett nicht Angela und Guido. Der Dialog der Harrenden aber könnte so, Wort für Wort, auf der Berliner Bühne gesprochen werden, von Angela Merkel und Guido Westerwelle. Nichts rührt sich mehr, nirgends, im Geschiebe um das erste Amt im Staate. Der Godot der deutschen Politik heißt Stoiber. Ende Januar oder Anfang Februar wird man sehen, ob er kommt.
Angela Merkel ist Kanzlerkandidatin der Union
Denn Angela Merkel ist seit dem Leipziger CDU-Parteitag Kanzlerkandidatin der Union. Felsenfest und nur noch durch eine Katastrophe zu erschüttern. Selbst wenn der Kanzler plötzlich stürzte: Ein zweites Mal ließe sie dem CSU-Mann nicht den Vortritt, das wäre das Ende ihrer Ambitionen. Ein zweites Mal gäbe es dafür keine guten Gründe. Und ein zweites Mal könnte das auch kein CDU-Herzog von ihr verlangen.
Angela Merkel sitzt sicher wie nie im Sattel. Binnen Wochen hat sich die taktierende Vage zur wagemutigen Strategin gewandelt, die Machtfrage mit Konzepten beantwortet. Und dabei alle in ihrer Partei hinter sich versammelt: die Jungen, die Frauen, die Ostdeutschen sowieso, nun auch den Wirtschaftsflügel und die nur noch leise mäkelnden Sozialausschüsse. Die Billigung des riskanten Systemwechsels in der Krankenversicherung, freundlich verkleidet durch einen Steuerschnitt á la Merz, war de facto nichts anderes als ihre Krönung zur ersten Machtanwärterin der Union. Roland Koch, der Rivale, hat sich in die zweite Reihe geschmollt.
Der Godot der Politik heißt Stoiber - er kaut auf zwei Optionen
Und Edmund Stoiber? Er weiß längst, dass seine Zeit als Kanzlerkandidat abgelaufen ist. Er weiß, dass er andere Optionen denken muss, will er seinen mächtigen Drang nach Berlin befriedigen. Und alle anderen wissen das auch - klarsichtige Sozialdemokraten zumal, deren Störfeuer mit einer Frau nach Rau verebbt ist. Sie finden keine eigene Kandidatin, die den Opfergang in die Niederlage wagte. In der Not hat Doris Schröder-Köpf, des Kanzlers Steuerfrau, die liberale Sirene Cornelia Schmalz-Jacobsen lanciert, um die Reihen der Gegner zu verwirren. Eine tot geborene Idee.
Stoiber ist rhetorisch aufgemendelt
Stoiber indes, der nach seiner Kanzlerkandidatur wie genetisch verwandelt wirkt - ganz bei sich selbst, in der Form seines Lebens: souverän, gelassen, gar rhetorisch aufgemendelt -, kaut auf zwei Optionen: Bundespräsident oder Superminister für Wirtschaft und Finanzen in einem Kabinett Merkel. Warum nicht jetzt die Taube in der Hand statt des Spatzen auf dem Dach? Wolfgang Schäuble ist nur noch Ersatzkandidat. Stoiber als Präsident - das wäre Merkels Meisterstück.
Guido:
Wir sind doch nicht gebunden?
Angela:
Wie gebunden?
Guido:
An Händen und Füßen.
Guido:
An Händen und Füßen.
Angela: Aber an wen? Durch wen?
Guido:
An deinen guten Mann.
Angela:
An Godot? Gebunden an Godot? Wie kommst du darauf? Nie im Leben! Pause. Noch - nicht.