Eigentlich ist das Nürnberger Reichsparteitagsgelände kein Ort des Schreckens. Hier herrschte Festtagsstimmung, wenn Adolf Hitler von 1933 bis 1938 turnenden jungen Mädchen huldvoll zuwinkte und seine SA- und SS-Scharen grüßte, die zackig an ihm vorbeimarschierten. Hier jubelte das Volk, dem die Nazis die neuesten Flugzeuge vorführten oder einen Lichtdom aus Scheinwerfern.
Elf Quadratkilometer Aufmarschgelände
Und doch liegt ein leises Grauen über dem Zeppelinfeld. »Hell on Earth« hat jemand mit grüner Farbe auf den bröckelnden Muschelkalk gesprayt - gleich neben dem »Hitlerbalkon«, wo der Diktator die Parade seiner Getreuen abnahm. Auf der 60 Meter breiten »Großen Straße« mit den mächtigen Granitplatten und beim Umrunden der monumentalen Kongresshalle auf dem von Hitlers Lieblingsbaumeister Albert Speer geplanten Gelände beginnt man zu begreifen, was einen hier frösteln macht: Elf Quadratkilometer Fläche zum Aufmarschieren und Machtdemonstrieren - das war die megalomanische Bühne für die Selbstdarstellung des Faschismus.
Lange haben die Nürnberger es sich leicht gemacht und die Nazi-Zeit einfach ignoriert. Erst als der Deutsche Städtetag das Gelände 1997 zum nationalen Denkmal erklärte, war klar, dass etwas geschehen musste, dass man rund 100.000 Touristen, die jedes Jahr hierher kommen, nicht mit den monumentalen Bauten allein lassen kann.
Am 4. November wird nun das lang ersehnte Dokumentationszentrum eröffnet. Der Grazer Architekt Günther Domenig hat den nördlichen Flügel der Kongresshalle mit einem grandiosen Pfeil aus Stahl, Glas und Beton durchbohrt: ein Stachel in der Macht-Architektur.
Hier wird einfühlsam, klug und unaufgeregt die Geschichte der NS-Parteitage dargestellt: mit Fotos, Filmen, Zeitzeugenberichten - und kuriosen Alltagsgegenständen wie einem Bierkrug mit Reichsparteitagsaufdruck oder einem Daumenkino, in dem ein gezeichnetes Führerlein händefuchtelnd und augenrollend eine stumme Rede hält.
Anja Lösel