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Podcast "heute wichtig" Wie sich ADHS bei Erwachsenen zeigt – und wieso eine Diagnose nichts Schlechtes heißen muss

Auf ihrem Instagram-Account "KirmesimKopf" klärt Angelina Boerger über ihr Leben mit ADHS auf
Auf ihrem Instagram-Account "KirmesimKopf" klärt Angelina Boerger über ihr Leben mit ADHS auf
© Privat
Vergesslich, unkonzentriert und eine "Jungs-Krankheit"? Mitnichten. Angelina Boerger bekam mit 29 Jahren ihre ADHS-Diagnose und räumt heute mit Vorurteilen gegenüber Betroffenen auf.

Wer ADHS hört, denkt meistens an den ‘Zappelphilipp’ in der Klasse, der nicht ruhig auf seinem Stuhl sitzen kann. Der laut ist, andere Kinder stört, sich schlecht konzentrieren kann. Doch dieses Bild ist mehr als veraltet. Die Journalistin Angelina Boerger hat erst mit 29 Jahren ihre eigene Diagnose bekommen: ADHS im Erwachsenenalter. In der 468. Folge des Morgenpodcasts "heute wichtig" berichtet sie von diesem Moment und einem Gefühl der Befreiung: "Ich hatte das Gefühl, ich kann mit mir Frieden schließen. Und all diese Momente, in denen ich an mir gezweifelt und mir selbst die Schuld gegeben habe, die haben eine neurologische Ursache." Denn wegen ADHS tickt ihr Gehirn anders. 

ADHS kommt auch bei Erwachsenen vor

Die Abkürzung ADHS steht für eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, die sich häufig durch Symptome wie Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität oder Impulsivität auszeichnet. Die Ausprägung ist individuell und kann nicht nur bei Jungs, sondern bei allen Geschlechtern vorkommen. Auch ist ADHS entgegen dem Klischee keine "Kinderkrankheit", sondern eine neurologische Störung, die auch im Erwachsenenalter auftreten und sich ein Leben lang verändern kann. Schätzungsweise sind etwa 2,5 Millionen Erwachsene in Deutschland davon betroffen. Besonders bei nicht diagnostizierten und unbehandelten Fällen können aus ADHS auch Folge- oder Begleiterscheinungen resultieren, sagt Angelina Boerger: "Zum Beispiel Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen, die oft die unentdeckte ADHS-Erkrankung überlagern." 

Die Journalistin hat durch Zufall von ADHS im Erwachsenenalter erfahren. Eine Betroffene berichtete in einer Fernsehsendung davon, in der Boerger im Publikum saß: "Da setzte sich auf einmal ein Bild für mich zusammen."

ADHS wird in Deutschland viermal häufiger bei Jungen als bei Mädchen diagnostiziert

ADHS fällt in die Lücke des "Gender Health Gaps". Männer sind in der Medizin nach wie vor die Norm. An Männern wird der Großteil der Studien durchgeführt, werden die meisten Medikamente getestet. Dadurch werden Krankheiten oder neurologische Störungen wie ADHS bei Frauen weniger diagnostiziert. Auch Nebenwirkungen von Medikamenten fallen später auf oder Betroffene werden von behandelnden Ärzt:innen oder Psychotherapeut:innen weniger ernst genommen. Das kritisiert auch Angelina Boerger.  

Auf ihrem Instagram-Account "Kirmes im Kopf" klärt sie über ADHS im Erwachsenenalter auf und bekommt dort regelmäßig Nachrichten von weiblichen Betroffenen: "Die bekommen gesagt, Frauen könnten kein ADHS bekommen. Oder sie wären zu erfolgreich, zu beliebt oder attraktiv und würden nicht ins Bild eines Menschen mit ADHS passen. Dann haben sie Monate auf ihren Termin gewartet und werden nach kurzer Zeit nach Hause geschickt, weil sie vermeintlich zu erfolgreich sind." Weibliche Personen haben nicht seltener ADHS als männliche. Aber es äußert sich häufig in anderer Form. Das thematisiert Angelina Boerger auch in ihrem Buch über ADHS, das ebenfalls "Kirmes im Kopf" heißt. "Bei Mädchen zeigen sich die Symptome wie bei vielen Dingen eher im Inneren. Eher verträumt, abgedriftet, leicht verpeilt oder chaotisch", sagt sie im Podcast "heute wichtig".

"Gehirne können auch vielfältig sein"

Der Umgang mit dieser neurologischen Störung ist ebenso individuell wie der damit einhergehende Leidensdruck oder die Behandlungsmöglichkeiten. Manchen Betroffenen hilft eine Psychotherapie, andere benötigen Medikamente, eine Ergotherapie oder ganz praktische Unterstützung im Alltag. Doch besonders wichtig ist Angelina Boerger, dass ADHS von seinem gesellschaftlichen Stigma befreit wird: "ADHS ist nicht nur etwas Schlechtes, es kommt darauf an, wie wir das als Gesellschaft bewerten. Wer sagt eigentlich, was ‚normal‘ ist?" Denn durch das ADHS funktioniert ihr Gehirn anders. Das bietet aber auch Raum für andere Perspektiven, viel Kreativität und Enthusiasmus: "Vielfalt hört nicht bei den Dingen auf, die wir mit dem bloßen Auge erkennen können. Gehirne können auch vielfältig sein. Das ist doch eine Bereicherung für die Welt." 

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