Braukunst im Bamberg Auf den Keller...

Von Mirijam Trunk
... sagt der Franke, wenn er sich in einen der heimischen Biergärten setzt. Bis zum Spätsommer werden die Freiluftlokale in und um Bamberg zum Wohnzimmer. Auch Zugereiste finden hier das Beste aus zwei Welten: Braukunst und Geselligkeit.

Am Abend wollen alle auf den Keller: Familien, endlich Freizeit, Männerrunden, endlich ein kühles Bier. Scharfe Linkskurve, der Berg wird steiler, tief durchatmen, der Duft von Bratkartoffeln und gegrillten Würsten, Kellner wirbeln durch die Bänke, Steinkrüge klirren, Prost miteinander - schöö hier, aufm Keller.

Ja, das "auf" ist wichtig im Frankenland, denn der Franke geht nicht "in" einen Bierkeller, er setzt sich drauf. Sechs der sieben Hügel Bambergs sind untertunnelt mit Höhlen aus Sandstein, in denen früher das Bier bei etwa acht Grad Celsius gelagert wurde. Ende des 19. Jahrhunderts begannen Braumeister, es auch direkt auf dem Hügel auszuschenken. Rund 30 Keller gibt es heute in und um Bamberg, fast jeder gehört zu einer kleinen Brauerei.

"A Seidla Spezi-Bier"

Peter Aßländer sitzt am liebsten auf dem Keller der Spezial-Brauerei. Er ist sein zweites Wohnzimmer. "Das Besondere hier ist der Blick", sagt er und deutet auf das Weltkulturerbe zu seinen Füßen, enge Gassen, schiefe Fachwerkhäuser, der Dom. Schon in den 50er Jahren kam er mit seinen Eltern her. Als Ingenieur hat er die Welt bereist, aber immer ist er zurückgekehrt, nach Bamberg und auf seinen Keller.

Heute ist Aßländer Rentner, Kurzhaarschnitt und Karohemd, dazu die weiche fränkische Mundart mit dem rollenden "r". Auf dem Keller spricht man Dialekt, mit Stolz. Der 68-Jährige lehnt sich zurück und schaut zu, wie sich die Bierbänke langsam füllen. Kleine Tische gibt es nicht, man sitzt zusammen, egal, ob man sich kennt. Sind die Franken nicht wortkarg und eigen? "Das ist ein Vorurteil", sagt Aßländer. Auf dem Keller jedenfalls. Er umfasst den kühlen Steinkrug. "A Seidla Spezi-Bier", ein halber Liter dunkles Rauchbier, "Schinken-Bier", sagen manche, weil es nach geräuchertem Schinken schmeckt.

Vielfalt statt Masse

Seit ein paar Jahren ist sogenanntes Craft Beer bei den Genuss-Hipstern der Welt in Mode. Brauereien in New York, Boston und Berlin rühmen sich, Bier auszuschenken, das von Hand gebraut ist. In der Region Bamberg war das immer so, Oberfranken hat weltweit die höchste Dichte an Mikrobrauereien, jedes Bier schmeckt ein bisschen anders. Eigen.

Normalerweise sitzen die Brauereien im Tal und besitzen einen Keller auf dem Berg. Norbert Winkelmann aber hat seine Brauerei gleich ganz auf den Keller verlegt. In Hallerndorf südlich von Bamberg, mitten im Wald. Man muss ihn entweder gezielt suchen oder sich glücklich verfahren. Das Sudhaus ist der Mittelpunkt der Gaststube, zwei Kupferkessel, etwa drei Meter hoch. Hier arbeitet der Bierkünstler vor den Augen seiner Gäste in Gummistiefeln und Schürze.

Bundesehrenpreis für Edelbrennerei

Gerade verkocht das Malz. Winkelmann öffnet eine Luke, lehnt sich in den Dampf, atmet ein, ja, so muss ein Bier im Frühstadium riechen. Der 51-Jährige braut nur kleine Mengen, Vielfalt ist ihm wichtiger als Masse.

Er brennt auch Schnäpse und Liköre, Ananas, Spargel, Banane, "man muss sich was trauen", sagt Winkelmann. Fünfmal hat er den Bundesehrenpreis für Edelbrennerei gewonnen. Doch Winkelmann hebt trotz all der Ehre die Preise nicht an. "Sonst würde ich meine Gäste vergraulen", sagt er. Bei ihm kostet das Bier ab zwei Euro, genau wie die Portion Pommes, ein echter Landkeller muss günstig sein. Dafür arbeitet hier wenig Personal, man braucht Zeit und Geduld für den Genuss der Tradition.

Ruhe und Stammtisch

Zurück auf festen Straßen in Richtung Reundorf. Hier, etwa zehn Kilometer südlich von Bamberg, liegt der Schmausenkeller. Die Gäste holen ihr Essen selbst am Küchenfenster ab. Auf der Parkwiese stehen Autos aus Bonn, Leipzig, Berlin, viele kommen jedes Jahr, wegen des günstigen Essens, aber vor allem, weil sie die Ruhe genießen. Der Keller ist in Etagen angelegt, freie Sicht auf die weiten Wiesen und auf das Dorf, ganz klein, irgendwo dahinten. Oben entspannen Familien auf dem großen Spielplatz bei Pommes mit Ketchup, unten steht eine Kegelbahn aus der Zeit König Ludwigs II. Der bayerische Monarch hat die Schanklizenz noch persönlich unterschrieben. Hier treffen sich die Herren vom Stammtisch fast jeden Abend. "Mir babbeln a weng", sagt einer der Herren. "Des heißt gute Unterhaltung", übersetzt Albert Scheuerer.

Der 50-jährige Stammtisch-Herr stellt die Holzkegel wieder auf. Früher haben das die Kinder für zehn Pfennig gemacht, für fünf Cent bückt sich heute niemand mehr, aber die Regeln sind über alle Jahrzehnte hinweg dieselben geblieben: ein Punkt pro Kegel, null Punkte, wenn die Kugel die Absperrung berührt. "Nur wenn jemand ein Holzbein hat, sind wir nicht so streng", sagt Scheuerer. Manchmal radeln die Herren über die Dörfer, von Keller zu Keller. Aber eigentlich sind sie sich einig: Nirgendwo ist es so schön wie auf dem Schmausenkeller - der Wald, die Wiesen, der Sonnenuntergang. "Und da sin mir daham", sagen sie.

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