Es war eigentlich schon Feierabend, doch die späten Kunden im Lüneburger Reisebüro hatten noch viele Fragen, und Michael Eggers beantwortete sie gern. Kreuz und quer durch die USA wollte die Familie reisen, sie erkundigte sich nach Flügen, nach Leihwagen und nach Unterkünften. Länger als eine Stunde ließ sie sich vom Fachmann beraten. "Am anderen Tag dann", erzählt Eggers, "rief die Frau an und bedankte sich. Ihr Mann hätte den gesamten Trip jetzt im Internet gebucht." Für ein kleines Reisebüro seien es "grausame Zeiten", klagt Eggers, denn unaufhaltsam wächst die Zahl derer, die sich ihren Urlaub am eigenen Computer zusammenklicken. 35 Milliarden Euro gaben die Deutschen im vergangenen Jahr für touristische Dienstleistungen unterschiedlichster Art aus, haben die Marktforscher vom Münchner Unternehmen Ulysses Web-Tourismus herausgefunden, fast sieben Milliarden davon online. In diesem Jahr soll die Summe auf neun Milliarden Euro steigen. Lange Zeit hatten die deutschen Verbraucher sich gescheut, ihre Kreditkartennummer im Internet preiszugeben, auch die Anonymität von Homepages schreckte sie ab. Viele Urlaubssuchende informierten sich zwar am Computer, zur Buchung aber gingen sie weiter ins Reisebüro. Doch darauf ist kein Verlass mehr. "Die Billigflieger haben den ganzen Markt angeheizt", sagt Dominik Rossmann, Geschäftsführer von Ulysses, denn Fluglinien wie Ryanair und Easyjet verkaufen ihre Tickets im Internet. Dort ist es mittlerweile unübersichtlich geworden. Woher den Leihwagen am Zielort nehmen, wenn der Flug schon gebucht ist? Von cardelmar.de oder von m-broker.de? Und das Hotel dazu: bei hotel.de suchen oder bei hrs.de? Vielleicht vorher doch erst einmal lesen, was andere erlebt haben? Etwa bei wiewaresdort.de oder tourist-talk.de? Oder doch erst mal bei Ebay gucken, ob es dort nicht irgendein Schnäppchen gibt? Etwa 80 Reiseportale konkurrieren miteinander. Der stern hat eine Stichprobe bei den wichtigsten Anbietern gemacht. Um sich herauszuheben, braucht es gute Ideen oder Geld für Werbung, am besten aber gleich beides. Im Netz gehen nicht nur virtuelle Reisebüros wie Travelchannel.de oder Start.de auf Kundenfang, auch ein etablierter Reiseverkäufer wie L'Tur mischt mit seinem Ableger Flyloco.de im Onlinemarkt mit.
Die Erfolgsformel heißt "Dynamic Packaging": Am Computer sucht sich der Kunde zu tagesaktuellen Preisen Flug, Unterkunft und Leihwagen aus und schnürt sie zu seinem persönlichen Urlaubspaket. So was heißt bei Expedia.de "Click & Mix", bei Thomas-Cook.de "Mix & Travel", und auch der Branchenführer Tui hat zu Beginn des Jahres mit seiner neuen Marke Touropa.de die Möglichkeit geschaffen, die Urlaubsbausteine selbst zu kombinieren. Im Internet, so die einhellige Meinung der Reisebranche, gibt es noch viel zu holen, denn zurzeit buchen nur 1,5 Prozent derjenigen, die eine Homepage anklicken, schließlich auch eine Reise. "Das ist so, als ob 100 Leute in einen Laden kommen und gerade mal einer etwas kauft", sagt Claudia Brözel. Sie ist im Vorstand vom Verband Internet Reisevertrieb (VIR), zu dem sich die Firmen Opodo.de, Expedia.de, Ebookers.de, Travel24.com, avigo.de und Lastminute.com zusammengeschlossen haben. Gemeinsam wollen sie ihr Geschäft vorantreiben und den Kunden die Angst vor einem Geschäftsabschluss im Internet nehmen.
Die Mitglieder des VIR verpflichten sich unter anderem, beim TÜV-Süd das Siegel "s@fer-shopping" zu beantragen, einen Sicherheitsstandard, der vor Missbrauch von Kreditkarten sowie vor Weitergabe von Kundendaten schützt. "Außerdem", sagt Brözel, "haben wir uns als erster Verband der Reiseschiedsstelle angeschlossen." Die vom Juristen Ronald Schmid ins Leben gerufene Instanz soll bei Streitigkeiten zwischen Urlaubern und Reiseanbietern vermitteln. Alles scheint also sicher, aber ist alles auch schon gut? "Die Kunden hätten es gern noch einfacher und übersichtlicher", sagt Dominik Rossmann von Ulysses Web-Tourismus, "aber die Reiseportale gleichen sich derzeit strukturell und technisch sehr. Unterschiede gibt es allenfalls bei den Farben." So kommt es auf ähnlichen Wegen oft zu dem gleichen Ergebnis, denn viele Anbieter nutzen dieselbe Buchungsmaschine. "Wer dann sowohl über die eine wie auch über die andere Suchmaske keinen Erfolg hat, geht schnell wieder ins Reisebüro", sagt Rossmann.
Um eine größtmögliche Auswahl anzubieten, bedient sich ein Veranstalter wie Lastminute.com verschiedener Datenbanken und ergänzt dieses Angebot noch mit Reisen der hauseigenen Marke Holidays und More. Und auch andere Anbieter bessern ständig nach. "Das Geschäft boomt im Netz", sagt Rossmann. Es sei einfach verlockend, zu Hause noch mal schnell und bequem nach einem Urlaub zu stöbern. Genau das macht Michael Eggers aus dem Lüneburger Reisebüro große Sorgen. Er sieht eine düstere Zukunft: "Uns geht es wie den Schustern, auch wir werden immer weniger." Vom Lohn der Familie jedenfalls, die er zur USA-Reise ausgiebig beraten hat, kann er sein Geschäft nicht betreiben. "Nach unserem Telefonat kam die Frau vorbei und drückte mir eine Tafel Schokolade in die Hand."