„Der typische Rheinland-Pfälzer“, sagt Malte Schreer, „ist ’ne kernige Natur.“ Braucht ein wenig Zeit, um warm zu werden. Im Grunde aber ein herzensguter Mensch. Der typische Rheinland- Pfälzer guckt schon mal etwas befremdlich, wenn zwei pudelnasse Vollbart-Typen von der Mosel aus die Böschung erklimmen und nach einem Schlafplatz am Ufer fragen.
Malte Schreer, einer der Eindringlinge, ist nun zwar kein geborener Rheinland- Pfälzer, aber ebenfalls ein herzensguter Mensch, der zudem mit einer guten Portion Überzeugungskraft ausgestattet ist. Und so brummelt der gepiesackte Moselbauer, schon halb im Weggehen begriffen: „Okay, wenn’s denn nur für eine Nacht ist. Und räumt morgen früh euren Müll weg.“
Die Übernachtung ist also gesichert. Schreer und Paddelpartner Michael Haas legen erst einmal das Bier im Moselwasser kühl, entfachen ein kleines Feuer – ein paar Holzscheite hat der erfahrene Wasserwanderer immer dabei – und braten ihre mitgebrachten Kartoffeln.
Später dann: Blick über die Mosel, die letzten Feierabendboote ziehen vorbei, Blätterrauschen in den Bäumen. Maltes Motto für solche Touren: Aloha, Peace und Happiness. Peace und Happiness ist jetzt. Aloha war den ganzen Tag über.
Wassersäcke auf den Boards
Es begann am Morgen im Dörfchen Zell, natürlich bei Sonnenschein, weil in Zell irgendwie immer die Sonne scheint. Die Wassersäcke werden vorn und hinten auf die Boards geschnallt. Zelt, Schlafsack, Isomatte, Holz, warme Klamotten für die Nacht, Proviant. Viele Kohlenhydrate, also Obst, Müsliriegel, Kartoffeln und Nudeln. Die nächsten Tage werden auch ein wenig anstrengend. Ein Handy ist dabei, wird aber – Abenteurer-Ehrenwort – nur im Notfall angeschaltet.
Voll bepackt sehen die Boards aus, als würden sie schon ohne Menschen, die auf ihnen stehen, verdammt leicht ins Wanken geraten.
90 Kilometer Strecke moselabwärts liegen vor Schreer und Haas. Im Kanu machen das viele, aber auf einem Stand-up-Paddling-Board? Da ist Malte Schreer, der in Koblenz ein SUP-Camp mit Schule und Shop betreibt, sicher einer der wenigen in Deutschland, die das wagen.
Dabei, meint der SUP-Unternehmer, sei die Idee gar nicht so abwegig. Als Kanute befinde man sich ja quasi auf Wasserhöhe. Freie Sicht auf fast nichts. Der Stehpaddler aber – wie der Name schon sagt – steht, schaut über die Uferböschung und entdeckt dabei allerhand Interessantes. An diesem Morgen zunächst einmal den Bremmer Calmont, den steilsten Weinberg Europas.
Picknick auf der Mosel
Schreer und Haas verspüren jetzt schon Durst, erlauben sich eine kleine Pause. Deshalb liebt der Stand-up-Paddler sein Board so sehr. Man kann darauf auch ein kleines Picknick veranstalten. Wenn es sein muss eben mit Apfelsaft.
Die Tourenboards sind schlanker und länger als ihre sportlichen Brüder für die Welle, und damit auch eher geneigt zu kippen. „Vorher ein, zwei Stunden einen Trainer schnappen“, sagt Malte Schreer. „Dann klappt das.“ Er ist so ein Trainer. Oberste Regel: „Immer locker in den Knien bleiben.“ Vor allem aber ist er ein Mann mit einem Hang zum kleinen und großen Abenteuer. Jede Tour ist für ihn ein Eintauchen in die Natur.
Wir reden hier nicht von wildem Wasser, Schweißströmen und Adrenalinschüben. Wir reden davon, dass die beiden Paddler um die Mitte des Tages herum – tatsächlich etwas erhitzt von der Mittagssonne – beinahe lautlos an einem Reh vorbeigleiten, das aus der Mosel säuft. Paddler und Reh sehen sich erst im letzten Augenblick. All das ist so entspannt und friedlich, dass das Reh sich kaum entschließen kann, Reißaus zu nehmen.
Viel Wasser, Wald und Wildschweine
Jedes Mal, wenn er sich aufs Board stelle, sagt Malte Schreer, betrete er eine andere Welt. „Der Alltag spielt keine Rolle mehr.“ Am Abend steige er jedes Mal mit einem Lächeln vom Board.
Die Mosel – schon von römischen Dichtern ob ihrer blühenden Landschaften gerühmt – ist eines seiner Lieblingsreviere. Ein wilder Fluss, das denkt man ja gar nicht bei der breiten Wasserstraße. Kurvig ist sie auch, legt sich in Schleifen wie ein Geschenkband.
„Raue, derbe Landschaft“, sagt der Alltagsflüchtling Malte Schreer. Hinter jeder Kurve neue Überraschungen, die Sonnenstrahlen suchen sich verschlungene Wege durch die Berghänge. Die steilen Weinberge wirken wie Wände, die den Alltag zuverlässig aussperren.
Viel Wald an den Ufern. Viele Wildschweine leben darin, auch die hat Schreer schon gesehen. Unter ihm: klares Wasser, Fischschwärme ziehen unter den Boards hindurch. Schreer blickt hinterher. Die Angel hat er vergessen. Er lässt sich ins Wasser gleiten, legt den Kopf in den Nacken, eine Hand am Board. Auch zum Baden ist die Mosel ganz in Ordnung. Bevor ihr Wasser nahe Koblenz etwas trüber wird.
Auf den letzten Kilometern dieses Tages schaukeln Malte Schreer und Michael Haas ihrem Zeltplatz entgegen. Die Mosel fließt mit drei Kilometern pro Stunde, gut zum Treibenlassen, ideal für erschöpfte Männer. Aber als dann doch mal ein größeres Schiff vorbeizieht, steuern die Paddler die Bugwellen an. Ein wenig surfen. Aloha auf der Mosel.
Noch in den frühen Abendstunden entdecken die beiden einen flachen Hang. Der Moselbauer überlegt kurz, stimmt dann zu. Ein Lager für eine Nacht? In Ordnung. Aber Müll wegräumen! Ehrensache für die Flussabenteurer. Sie stellen ihr Zelt auf. Als der Abend den Tag ablöst, duftet es am Weinberg nach Bratkartoffeln.
Stehpaddeln vor der Haustür
Malte Schreer war nicht immer jener entspannte Gemütsmensch, der auf dem Stand-up-Board Yoga übt. Zum Aloha-Malte wurde er erst 2007, als ein Freund ihm vom Stand-up-Paddeln vorschwärmte. Da wurde Schreer – passionierter Wellenreiter und Wakeboarder – gerade von hartnäckigen Rückenschmerzen geplagt und verfiel sofort den Boards. Kaufte sich ein erstes Brett, dann noch eines und noch eines, und schließlich eines für die Ehefrau. Die Garage wurde zu klein, das Lager zog in einen Wohnwagen um.
Deutschland ist eben keine einfache Gegend für Wellenreiter. Für Stehpaddler aber schon, denn Flüsse und Seen gibt es fast vor jeder Haustür. Auf jeden Fall vor der Haustür der Familie Schreer. „Ich war nur noch auf dem Wasser.“
Stehpaddeln, lernte Schreer, wurde zuerst von polynesischen Fischern betrieben, die in ihren Kanus stehend vor Tahiti übers Meer glitten. Denen war Geschwindigkeit genauso schnuppe wie sie Schreer ist. Seine Sportkleidung: Bermudashorts und blanke Füße. „Ich bestimme das Tempo“, sagt er. Und das ist meistens gemächlich.
Am nächsten Morgen, kurz hinter der Schleuse Lehmen, benutzen Schreer und Haas ihre Boards als Luftmatratzen, legen sich bäuchlings darauf, die Arme unter dem Kopf verschränkt. Eine Handvoll Reiher gleitet nahe der Wasseroberfläche über den Fluss. Die Stehpaddler blinzeln noch etwas verschlafen, selbst die eleganten Vögel scheinen ihnen in diesem Augenblick etwas zu hektisch zu sein.
Die Stunden dieses zweiten Tages vergehen viel zu schnell. An den Ufern reihen sich die beschaulichen Moseldörfer aneinander. Alken, Oberfell, Niederfell, Dieblich, Winningen. Da möchte man jedes Mal an die Seite paddeln und die Gassen erkunden. Oder auch zwischen den Dörfern mal stoppen, sich an einer der steilen Felswände austoben und die Kletterkünste ausprobieren.

Die Stehpaddler bleiben auf dem Wasser, meistens jedenfalls. Einzige Ausnahme bilden eine Brotzeit in einem Weinberg bei Dieblich und das obligatorische Eis in Winningen. Malte Schreer: „Ein Eis pro Tag muss sein.“
Drei Tage war er schon am Stück auf der Mosel unterwegs. Bei noch längeren Touren würde es auf dem Board fürs Gepäck zu eng. Schon am Nachmittag – viel zu schnell – tauchen die Kirchtürme von Koblenz in der Ferne auf. Ein paar Kilometer noch, dann fließt die Mosel in den Rhein. Die Paddler steigen vorher von ihren Boards. Am „Stattstrand“, dem Beachclub im Westen der Stadt, endet die Tour. Palmen, Cocktails und 800 Tonnen Ostseesand. Mehr Aloha geht gerade nicht.
SUP-Board Test: Hier geht es zum SUP-Board Vergleich.